Alles auf Anfang! (German Edition)
Nun musste Carla eine neue
Strategie fahren. Was wäre dafür besser geeignet, als ein romantisches
Wochenende zu zweit? Sie musste es nur geschickt einfädeln, denn Ben war
anscheinend wirklich nicht gut auf sie zu sprechen. Er hatte sie eiskalt
abserviert.
Seit der Vertragsunterzeichnung war Carla
wie gewohnt jeden Tag ins Büro gegangen, um dort zu arbeiten. Niemand nahm
Anstoß daran. Sie hatte ihren Betriebsausweis nicht abgegeben und weiterhin
Zugang zu allen wichtigen Unterlagen.
Stillschweigen galt allgemein als
Zustimmung und so ging sie davon aus weiterhin Angestellte des Bankhauses
Lichtenfels zu sein. So leicht wurde man eine Carla Benedetti nicht los.
Ben hatte sie die ganze Woche nicht
gesehen. Er hatte sich mit Terminen zugeschüttet. Freitags machte er für
gewöhnlich um dreizehn Uhr Feierabend. Ab fünfzehn Uhr war das Gebäude
menschenleer.
Frau Santorius holte sich jeden Morgen
pünktlich um neun Uhr dreißig ihren Tee aus der kleinen Kantine unter dem Dach.
Niemals setzte sie sich zu den anderen Mitarbeitern in den angrenzenden
Wintergarten mit Blick über die Innenstadt.
Carla musste sich beeilen, wenn sie
Informationen über die heutigen Termine von Ben ergattern wollte. Sie wartete
gegenüber im Kopierzimmer, bis Frau Santorius ihr Vorzimmer verließ. Pünktlich!
Wie leicht berechenbar sie war!
Ben war außer Haus, darüber war Carla
informiert. Trotzdem würde Frau Santorius es sich niemals erlauben, auch nur
eine Minute ihre Pause zu überziehen. Kaum war die Sekretärin um die Ecke
verschwunden, flitze Carla in das Büro, schnappte sich den Terminkalender und
kopierte flink die nächsten Seiten. Sicher war sicher. Selbst wenn sich der ein
oder andere Termin verschob, so hatte sie Ben ziemlich gut unter Kontrolle.
Leise legte sie das Dokument auf seinen
Platz zurück und öffnete langsam die Tür. Sein After Shave lag in der Luft. Sie
schloss für einen Moment die Augen und sog den schweren Duft in sich hinein.
Schnell war sie aber wieder Herr ihrer Sinne. Schließlich hatte sie einen
Auftrag zu erfüllen.
Gut, das sie seine Gewohnheiten so gut
kannte. Sein Mantel hing an der Garderobe hinter der Tür. Sie griff in die
rechte Außentasche. Glück gehabt. Sein Haustürschlüssel war darin. Sie nahm ihn
an sich. Er würde es nicht merken, da er niemals vorher kontrollierte, ob er
seinen Schlüssel dabei hatte oder nicht. Manchmal legte er ihn in den
Schreibtisch, manchmal ließ er ihn in seiner Aktentasche verschwinden.
Sie wollte gerade gehen, als ihr Blick auf
seinen Faksimile-Stempel fiel, der einladend auf der Schreibtischunterlage lag.
Ein Wink des Schicksals.
„Wer weiß wozu, ich seine Unterschrift noch
mal brauchen werde“, dachte Carla und versah zehn blütenweiße blanko Blätter
mit seinem Namen.
Ohne, dass irgendjemand von diesem Vorfall
Notiz genommen hatte, verschwand Carla in ihrem Büro.
Am Nachmittag hatten alle Mitarbeiter
inzwischen das Gebäude verlassen. Unter ihnen auch Lisa, die sich fröhlich
winkend vom Pförtner verabschiedete und sich auf das Wochenende freute.
Der Pförtner Herr Heine, ein älterer Herr
mit dichten schneeweißen Haaren, mochte die neue Mitarbeiterin Lisa Seiler.
Morgens wie abends war sie gut gelaunt und hatte für jeden ein herzliches Wort.
Ganz im Gegensatz zu dieser arroganten Carla Benedetti, die jedes Mal grußlos
vorbeizog. Das ausgerechnet der Herr von Lichtenfels was mit der haben sollte?
Carla hatte den Käfer-Partyservice
beauftragt, ein Drei-Gänge-Menü für zwei Personen in das Bankhaus Lichtenfels
bringen zu lassen. Ben würde garantiert zurückkehren, wenn er den Verlust
seines Schlüssels bemerkte.
Nervös lief sie im Zimmer auf und ab und
rauchte eine Zigarette nach der anderen. Im Viertelstundentakt verschwand sie
auf der Toilette um ihre Nase zu pudern und den Lippenstift zu erneuern.
Es war zum ‚Mäuse melken’. Der Kerl tauchte
einfach nicht auf.
Es dämmerte bereits, als Carla erste Zweifel
an ihrem Plan bekam. Hatte sich Ben zu guter Letzt gar nicht auf den Heimweg
gemacht? Es ärgerte sie maßlos, dass sie immer mehr die Kontrolle über ihn
verlor und somit ihre persönlichen Zukunftsvisionen in Gefahr brachte.
Gegen dreiundzwanzig Uhr musste sie wütend
registrieren, dass sie die Fäden aus der Hand verloren hatte. Bens
Hausschlüssel nahm sie aus der Schreibtischschublade in seinem Büro. Dort hatte
sie ihn deponiert, nachdem er die Bank verlassen hatte.
Zu diesem Zeitpunkt
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