Alles auf Anfang! (German Edition)
Jetzt aber flott! Schon halb sieben.
Gleich stand Lydia vor der Tür. Sie wollten
pünktlich aufbrechen, um der Karawane sonnenhungriger Münchner, die zu den Seen
und Bergen strömten, zuvor zu kommen. Dieser kollektive Aufbruch lebenslustiger
Menschen gab Lisa das Gefühl der Zugehörigkeit. Das Leben pulsierte an jeder
Ecke dieser Stadt und an den Wochenenden weitete sich dieser Radius in die
nahegelegenen Freizeitgebiete aus. München verwandelte sich in einen Strudel
voll Lebenslust, die einen unwillkürlich mitzog.
Ihre Haare waren fast trocken, der Rucksack
gepackt. Mit schnellen Handgriffen band Lisa sich ein rot kariertes Piratentuch
um den Kopf. In ihrer leichten Wanderhose und den neuen Bergschuhen fühlte sie
sich super.
Sie liebte witzige und sportliche Kleidung.
Den dicken Fleecepulli und die Wanderstöcke befestigte sie an den Verschlüssen
des Rucksacks.
Sie ging in Gedanken noch schnell den
Inhalt durch: Zwei T-Shirts zum Wechseln, Jogginghose für die Hütte, Socken,
Pflaster, ein Buch, Essen, Getränke, Taschentücher, Sonnencreme, Sonnenbrille,
Bikini und ... Der Fotoapparat fehlte noch! Er lag im Vertigo im Flur in der
obersten Schublade! Mist, der Akku war leer. Aber egal, Batterien konnte man
bestimmt auf dem Weg nach Lenggries noch kaufen. Zur Not an irgendeiner
Tankstelle.
Es klingelte. Zehn Minuten vor der Zeit!
Lisa flitzte noch schnell durch alle Räume.
Fenster waren alle geschlossen. Licht auch überall aus. So, jetzt konnte es
losgehen.
Freudig riss Lisa die Wohnungstür auf, den
Rucksack an einem Riemen über der rechten Schulter.
„Überraschung!!!!!!!“
Lisa traf der Schlag.
Sie glaubte nicht, was sie sah. Als sie
langsam realisierte, was sie sah, wollte sie es auf keinen Fall wahr haben.
Ihre Mutter.
Und Ludger.
Geschockt knallte sie die Tür wieder zu und
versuchte zu begreifen, was sie soeben gesehen hatte.
Ihre Mutter.
Und Ludger.
Nein, dass konnte nicht sein. Sie wollte
schließlich in die Berge! Sicher hatte sie sich geirrt. Sie öffnete einen Spalt
weit die Wohnungstür und lugte hindurch, in der Hoffnung, einer Sinnestäuschung
aufgesessen zu sein.
Irrtum ausgeschlossen. Sie waren es
wirklich.
Ihre Mutter.
Und Ludger.
„Na, mein Kind. Diese
Geburtstagsüberraschung ist uns doch offensichtlich gelungen!“
Sie knuffte Ludger in die Seite und freute
sich diebisch wie ein kleines Kind, dem ein lang eingefädelter Aprilscherz
gelungen war.
Ludger brachte nur ein staubiges „hallo“
heraus und hob ziemlich schlaff seine Rechte zum Gruß. Ihm war offensichtlich
ausgesprochen mulmig zumute.
„Selber Schuld!“, dachte Lisa. „Ich hasse
solche Überfälle“.
„Ich hasse solche Überfälle!“, brach es aus
ihr heraus. Tränen der Wut sammelten sich in ihren Augen. Aufgebracht ließ sie
die Tür aufschnappen, drehte sich trotzig um und knallte ihren Rucksack gegen
das Vertigo im Flur. Alles in ihr bäumte sich auf.
Es klingelte erneut.
Das musste Lydia sein. Sie schob den im Weg
stehenden Ludger grob zur Seite und betätigte den Türöffner. Es waren bereits
Schritte auf den knarrenden Holzstufen zu hören. Scheinbar stand die Haustür
offen.
Etwas atemlos erreichte Lydia Lisas Etage.
„Sorry, habe mich ein bisschen verspätet.
Musste noch mal zurück, weil ich mir nicht mehr sicher war, ob ich die
Kaffeemaschine ausgemacht habe. Alzheimer lässt grüßen.“
Sie kicherte.
Lisa nicht.
Er jetzt bemerkte Lydia den finsteren
Gesichtsausdruck von Lisa.
„Was ist denn mit dir los? Hast du Besuch
von deiner Mutter?“
Lisa riss ihre Augen ganz weit auf, wies
mit dem Daumen über ihre Schulter in die Wohnung. Dabei schnitt sie eine
hässliche Fratze und betonte zuckersüß: „Stell dir vor Lydia, ich habe überraschend
Gäste über das Wochenende bekommen! Meine Mutter in Begleitung meines
Ex-Freundes!“
Das letzte Wort schrie sie fast in den
Hausflur.
Lydia versuchte mit ihrer Hand, Lisas
Temperamentsausbruch abzuwiegeln und gab ihr ein Zeichen still zu sein.
„Ach, das ist aber eine nette Idee zum
Geburtstag! Willst du mich den beiden nicht vorstellen?“
Lisas Augen waren erfüllt von lauter
Fragezeichen. Was hatte sie vor? Lydia schob sich an Lisa vorbei, die ihr mit
hängenden Schultern folgte.
„Guten Morgen, ich bin die Lydia! Mit y!“
Wohlerzogen schüttelte sie Ludger, der noch
immer wie angewurzelt im Flur stand, die Hand.
Lisas Mutter war nicht zu sehen. Sie
inspizierte bereits ausgiebig die
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