Alles auf Anfang! (German Edition)
wenn
man sie sich selber erarbeitet hat?“, meinte Lydia, nachdem sie endlich die
Hütte von Tante Rosi erreicht hatten.
Es war ein kleines Paradies mit rotweiß
karierten Gardinen und der dazu passenden Bettwäsche. Ein Holzfeuerofen und ein
richtiges Plumpsklo außerhalb mit einem geschnitzten Herzchen in der Tür
machten die Landpartie perfekt!
Lydia und sie hatten in der Sonne gesessen,
gedöst, geredet, gelesen. Sie konnten zusammen sein, ohne sich einzuengen.
Jeder war sich selbst genug und sah den anderen als zusätzliche Bereicherung.
Sie schwiegen zusammen und diskutierten bis spät in die Nacht.
Am Morgen bei Sonnenaufgang wurde Lisa von
einem Trompetenecho geweckt. Es war ihr Geburtstag! Lydia hatte dafür Franz
engagiert und bei seinem ‚Ave Maria’ liefen Lisa die Tränen über die Wangen.
Die aufgehende Sonne hinter den Alpenspitzen tat ihr übriges dazu.
Eine Gänsehaut lief ihr den Rücken rauf und
runter und bei dem Gedanken an dieses Gefühl, die ganze Atmosphäre, wiederholte
sich dieser Zustand hier im U-Bahn-Schacht. Die U6 fuhr gerade ein.
Sie betrat den Waggon.
Ihre Augen glänzten, ihr Teint war
goldbraun, nur der Sonnenbrand auf der Nase schmerzte gleichbleibend. Lisa
lächelte vor sich hin.
„Happy birthday to you ...“, summte jemand
in ihr linkes Ohr.
Beim Geruch des After Shaves wurde sie
knallrot.
Sie drehte sich um.
„Das war gestern! Guten Morgen, Herr von
Lichtenfels. Was machen Sie denn hier? Ich meine, in der U-Bahn?“
„Mein Auto sprang heute morgen nicht an.
Ein Freund von mir aus Bad Tölz war so nett, mich mitzunehmen. Er arbeitet bei
einer Bank in der Ungererstrasse. Bis dahin hat er mich mitgenommen. Die
U-Bahn-Station ist gleich vor seiner Bank. Was wäre also einfacher, als
einzusteigen?“
„Das stimmt natürlich! Wirklich praktisch!“
„Ich hoffe, Sie hat am Wochenende nur die
Sonne geküsst?!“
Ben zwinkerte Lisa frech zu und stupste
amüsiert ihre Nasenspitze an.
Ihr wurde heiß und kalt.
„Ein nettes Andenken aus den Bergen! Wie
haben sich die neuen Bergschuhe bewährt?“
„Das Wochenende war ein voller Erfolg,
danke der Nachfrage!“
Betont kühl wandte löste sich aus seinem
Blickfeld. „So leicht bin ich nicht zu ködern, Männeken“, fügte sie gedanklich
noch dazu.
Abrupt bremste die U-Bahn und schleuderte
alle guten Vorsätze fort. Für einen Augenblick wurden sie dicht aufeinander
geschoben und hielten sich automatisch an den Händen.
Als der Zug schon längst gehalten hatten,
schauten sich beide immer noch tief in die Augen und konnten sich nicht lösen.
Es waren nur Sekunden, doch beiden kam es vor wie eine himmlische Ewigkeit.
Den Weg bis zum Bankgebäude gingen sie
schweigend nebeneinander her. Keiner von beiden wollte die Einigkeit zerstören.
Der Funke war übergesprungen, ganz klein nur. Ein Atemzug hätte ihn löschen
können. Sie waren sich einig und unsicher zu gleich.
Herr Heine sah die beiden kommen. Was er
sah erfreute ihn, obwohl es nicht viel zu sehen gab.
Zwei Stockwerke über dem Pförtnerhäuschen
registrierte noch eine Person das Kommen der beiden Menschen, die nichts miteinander
redeten und doch im Einklang ihrer Schritte eine unübersehbare Harmonie
bildeten.
Carla Benedetti.
„Das glaube ich einfach nicht.“
War sie die Person in seinem Haus? Was
hatte sie übersehen? Ihre rot lackierten Fingernägel klapperten nervös auf der
Fensterbank.
„Ich muss jetzt einen kühlen Kopf behalten
und mir ganz, ganz schnell etwas einfallen lassen!“
Als Ben von Lichtenfels gutgelaunt den Kopf
zu Tür hineinsteckte, kaute sie verzweifelt an ihrem Fingernägel.
„Guten Morgen!“
Er hatte es nicht bemerkt. Fast schon im
Gehen begriffen, wandte er sich nochmals um.
„Ich hab es mir überlegt. Du hast Recht,
Carla. Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient. Du kannst bleiben.“
Er ging pfeifend in sein Büro. Sie lief ihm
hinterher.
„Ben?“
Er drehte sich um, ging aber rückwärts
weiter.
„Ja?“
Sein Blick war unnachgiebig und duldete
keine Forderung.
„Nichts.“
Es war nicht der richtige Zeitpunkt.
Lisa verteilte fröhlich ihren
Geburtstagskuchen. Herr Heine freute sich besonders darüber, dass Lisa an ihn
gedacht hatte. Das kam nicht alle Tage vor, denn der Pförtner, der eigentlich
ein Aushängeschild jedes Unternehmens war, wurde gern übersehen.
Lisa machte keinen Unterschied zwischen
Direktor und Pförtner. Ihr waren jede Art von Klassenunterschieden fremd. Sie
hatte
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