Alles auf Anfang Marie - Roman
meinem Blick unbeirrt stand. Auch die Sammelbüchse bewegte sich nicht. »Ja, natürlich. Zero Tolerance. Wir lassen es gar nicht erst einreißen im neuen Schuljahr.«
»Steig aus, Gonzalez«, sagte ich. Er tat es unwillig; vermutlich wollte er viel lieber miterleben, wie das hier weiterging.
In meinem Autoaschenbecher, wo ich meistens Kleingeld für Parkautomaten verwahre, befand sich nur ein Zwei-Euro-Stück. Mit einem Hauch von Verachtung warf ich es in ihre Büchse. »Hier, bitte schön. Ich zahle gleich für morgen mit.«
Jetzt war sie es, die ein wenig ungläubig aussah. »Aber morgen bin ich nicht hier.«
»Gut zu wissen«, sagte ich. »Dann geben Sie mir einen Euro raus. Ich brauch sowieso einen für den Einkaufswagen im Supermarkt.«
»Das kann ich nicht«, sagte sie. »Sie sehen doch, ich kann aus der Dose kein Geld rausholen.«
Inzwischen hatte sich hinter mir schon ein kleiner Stau gebildet. Ich war offensichtlich nicht die Einzige, die Kinder näher als erlaubt an die Schule brachte. »Dann holen Sie sich doch schon mal den Euro von dem Auto hinter mir«, schlug ich vor. »Den können Sie mir ja dann geben.« Irgendwo hinter uns wurde gehupt.
Jetzt hatte ich sie etwas aus der Fassung gebracht. Das war nicht nett von mir, ich weiß, aber am Montagmorgen vor acht Uhr sollte man mir nicht mit solchen Faxen kommen, schon gar nicht, wenn ich bereits leicht gestresst durch mehrere unvorhergesehene Planänderungen war. Für sie war wohl andererseits die Vorstellung unangenehm, dem Fahrer hinter mir erst einen Euro abzunehmen und ihn dann zugucken zu lassen, wie sie mir den aushändigte.
»Geben Sie mir die Dose«, befahl ich, und sie tat es widerstandslos. Hinter uns ertönte erneut eine Hupe.
Ich kannte diese Dosen, unsere Kinder hatten ganz ähnliche als Spardose gehabt. Ich griff in das Seitenfach der Fahrertür. Dort ruhte schon seit längerem eine Nagelfeile, die vermutlich Lotta gehörte. Damit war es kein Problem, aus dem Schlitz eine Münze zurückzuangeln. Wie der Zufall es wollte, fischte ich direkt einen Euro heraus.
»Na also«, sagte ich, jetzt wieder etwas zufriedener mit mir und dem Leben an sich. Ich reichte der Frau die Dose zurück, warf den Euro in meinen Aschenbecher und lächelte freundlich. »Wir lassen gar nicht erst was einreißen. Schönen Tag noch.«
Kevin hatte das Ganze vom Rücksitz aus verfolgt. »Kostet das einen Euro, hier in die Schule zu gehen?«, fragte er.
»Nur, wenn man mit dem Auto gebracht wird«, sagte ich und fuhr um den Wendeplatz herum und an den ganzen gestauten Autos vorbei. »Aber ich bin sicher, das wird in Kürze wieder abgeschafft.«
Ach, war das lange her, seitdem ich das letzte Mal mit einem Kind einkaufen war, das um meinen Wagen herumturnte und mich in meiner Konzentration beeinträchtigte.Vor allem hatte dieses Kind natürlich noch keine Erfahrung mit mir als Einkäuferin, so wie damals meine eigenen, die irgendwann wussten, dass Quengeln keinen Zweck hatte. Kevin packte ungefragt Sachen in meinen Wagen, die dann wieder unter großem Protest zurückgebracht werden mussten, oder verschwand zwischen Regalen, um dann irgendwann atemlos wieder aufzutauchen und mir die unglaublichsten Dinge zu präsentieren. Manche davon hatte ich selbst noch nie gesehen, zum Beispiel Mini-Textmarker mit Fruchtaroma oder Bonbons, die nach dem Lutschen zu Kaugummi werden.
Ich musste ihm erklären, dass ich nicht viel von tiefgefrorenen Fertiggerichten hielt und dass ich Marshmallows nicht als Grundnahrungsmittel betrachtete. Gleichzeitig fragte ich mich, wie ich jetzt den Inhalt seiner Schultüte erwerben sollte, ohne dass er das mitbekam. Ich beschloss, diesen Punkt zu vertagen und erst mal das einzukaufen, was ich a) für das Mittagessen der Kinder brauchte und b) für Christoph, falls er länger blieb und noch da war, wenn ich mit Henning unterwegs war.
Während ich gerade an der Käsetheke anstand, zupfte Kevin mich am Ärmel. »Da ist er wieder!«, teilte er mir mit.
»Wer denn?«, fragte ich zurück, während die Verkäuferin mir sechs Scheiben mittelalten Edamer auswog.
»Na, der Undertaker-Mann«, sagte Kevin.
»Darf’s sonst noch etwas sein?«, fragte die Verkäuferin.
»Ein Stück von dem Blauschimmelkäse«, sagte ich und ließ meine Blicke schweifen. Tatsächlich, das könnte Bernhard sein, der sich gerade vor dem Display mit den südafrikanischen Rotweinen aufgebaut hatte.
»Muss ich heute wieder nett sein zu dem?«
Mir wurde etwas flau. Man
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