Alles auf Anfang Marie - Roman
nicht. Nichts Besonderes, aber wenn man gerade aus dem Chaos von oben kam, erschien es umso ordentlicher. Auf mich hatte es jedenfalls eine ziemlich beruhigende Wirkung, so als hätte er einen Feng-Shui-Berater konsultiert. Was ich aber nicht vermutete, so wie ich diesen Betrieb und seinen Inhaber einschätzte.
»Normaler Kaffee?«, fragte er. »Oder Espresso?«
»Lieber Kaffee. Mit viel Milch, wenn Sie haben.«
»Habe ich«, sagte er und ließ mich einen Moment allein. Ich setzte mich auf den Stuhl am Fenster und merkte, dass ich schon wieder etwas ruhiger geworden war.
Ein paar leicht vergammelte Visitenkarten auf dem Tisch verrieten, dass das »HH« im Firmentitel für Hannes Hoffmeister stand. Ich erinnerte mich daran, dass Kevin mir erzählt hatte, Herr Hoffmeister sei streng, und wenn ich mich in seine Perspektive versetzte, konnte ich mir das gut vorstellen. Schon seine Erscheinung mit den extrem kurzen grauen Haaren und dem grimmigen Gesichtsausdruck musste für ein Kind furchteinflößend sein, und wenn er dann auch noch als strenger Vermieterherummeckerte, dann würde das seine Beliebtheit nicht steigern.
Jetzt kam er mit einem Tablett zurück und stellte mir einen schlichten weißen Kaffeebecher und ein Kännchen mit Milch hin. »Also, Frau Overbeck«, sagte er und setzte sich mir gegenüber. Heute trug er ein giftgrünes Polohemd zu seiner Latzhose. Ich meinte, hinter dem Latz ein kleines Krokodil erkennen zu können.
»Also, Herr Hoffmeister«, entgegnete ich. »Sie sind der Vermieter von Frau Nowakowski.«
»Stimmt«, sagte er. »Und Sie? Ihre Mäzenin?«
»Mäzenin?«, wiederholte ich verwirrt.
»Sie teilen doch Schecks aus«, sagte er mit einem ironischen Lächeln.
»Da täuschen Sie sich«, sagte ich möglichst sachlich. »Ich war sozusagen nur zur Dekoration mit auf diesem Foto. Das Geld kam von dem Club, in dem mein Mann Mitglied ist.«
»Und was treiben Sie, wenn sie nicht dekorativ tätig sind? Ich gehe nicht davon aus, dass Sie Sozialarbeiterin sind. Die gehen ihrer Tätigkeit normalerweise nicht in Calvin-Klein-Anzügen nach.«
»Der war nicht von Calvin Klein«, sagte ich spontan, bevor ich mich wundern konnte, dass ein Mann sich mit so etwas beschäftigte. Henning hätte das jedenfalls nicht getan. »Dafür hat er nicht die puristische Schnittführung, wissen Sie.«
»Verzeihen Sie den Irrtum«, sagte er und grinste. »Aber ich dachte, wenn ich mit Ihnen über Mode fachsimpele, nehme ich Ihnen ein wenig den Wind aus den Segeln. Denn ich vermute doch, Sie möchten mit mir über mein nicht akzeptables Verhalten in Bezug auf die Vermietung der oberen Etage sprechen.«
»Tja, dann können wir ja gleich zur Sache kommen«,sagte ich, um meine erneute Verwunderung zu überspielen. Dieser Typ war schon etwas ungewöhnlich. »Sie haben Strom und Wasser für die Waschmaschine abgestellt. Aber Sie müssten doch eigentlich wissen, dass eine Familie mit drei Kindern nicht ohne Waschmaschine auskommt.«
»Im Prinzip ist mir das klar«, sagte er. »Aber irgendwie muss ich natürlich auch der guten Frau Nowakowski klarmachen, dass meine Geduld an einem bestimmten Zeitpunkt zu Ende ist. Und der war gekommen, als ich feststellen musste, dass sie mir inzwischen über zweitausend Euro schuldet.«
»Zweitausend Euro«, wiederholte ich nachdenklich. Das war schon eine Menge Geld. »Heißt das, dass sie ihre Miete nicht zahlt?«
»Zumindest nicht regelmäßig«, sagte er. »Insofern können Sie sich vorstellen, dass ich auf Ihren Scheck gehofft hatte. Der ja nun leider nicht kam.«
»Tja, tut mir leid«, sagte ich. »Wie Sie schon selber festgestellt haben, komme ich nicht vom Sozialamt. Zahlen die eigentlich die Miete nicht direkt an Sie?«
»Inzwischen schon«, sagte er. »Aber für die früheren Schulden kommen die nicht auf. Stattdessen prüfen die jetzt, ob die Wohnung nicht zu groß ist und die Frau eventuell ausziehen muss. Aber das hat sich vermutlich vorerst erledigt, weil sie ja demnächst noch eine Person mehr in ihrer Familie hat.«
Ich probierte meinen Kaffee. Er war erstaunlich gut. »Aber wie stellen Sie sich das weiter vor? Spätestens, wenn sie ihr Baby hat, braucht sie unbedingt eine Waschmaschine.«
»Ich habe den Eindruck, dafür hat sie gerade eine Lösung gefunden«, sagte er heiter. »Denn wie ich mitbekommen habe, wollen Sie sich ja darum kümmern, Frau Overbeck.«
»Arbeiten Sie hier oder stehen Sie am Fenster und beobachten das Tagesgeschehen?«, fragte ich etwas
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