Alles auf Anfang Marie - Roman
ganz richtig so«, sagte ich, bemüht, mein Erschrecken über ihre Aussage zu verbergen. »Aber Konsequenz heißt doch nicht schlagen.«
»Sondern?«, fragte sie herausfordernd. »Ich kenn das doch. Entweder du machst das oder es setzt was. Da war meine Mutter ganz konsequent, glauben Sie mir.«
»Es geht auch anders«, sagte ich. »Aber Kinder brauchen klare Regeln. Sie machen die Dinge nicht von allein. Man muss es immer wieder von ihnen verlangen und ihnen klarmachen, worum es geht.«
»Und wenn sie es trotzdem nicht machen?«, klagte sie. »Die sehen doch, dass ich es nicht kann.«
»Ich höre eigentlich nicht, dass Sie den Kindern irgendwelche Aufträge geben«, sagte ich.
»Das haben Sie doch getan. Sie haben diese Liste gemacht, aber die Kinder stören sich nicht dran.«
»Die Liste habe ich für Sie gemacht«, erklärte ich ihr. »Sie sind diejenige, die hier den Haushalt organisieren muss. Die Kinder können das nicht.«
»Aber ich kann’s auch nicht. Das wissen Sie doch.«
Ich rang um Geduld. Aber da musste ich jetzt durch. »Organisieren heißt auch nicht, alles selber machen. Aber Sie müssen darauf achten, dass es passiert. Sie müssen Ihre Kinder immer wieder erinnern. Es ist nur ein bisschen Spülen und Aufräumen. Das ist nicht zu viel verlangt.«
Ich merkte, wie wenig Bereitschaft sie zeigte, das von mir anzunehmen. Also wechselte ich erst mal das Thema. Schließlich war es mindestens genauso wichtig, dass sie ihre Finanzen in den Griff bekam, aber das Thema »Geld« war noch schwieriger zu bearbeiten. So wie sie es sah, hatte sie einfach keins. Das Konto war chronisch überzogen, und nur Nualas Vater zahlte regelmäßig seinen Anteil. Seit die Miete regelmäßig direkt an HannesHoffmeister überwiesen wurde, war es noch knapper geworden – es fiel ihr offensichtlich schwer, sich vorzustellen, dass das Geld war, das sie auch sonst nicht zur freien Verfügung gehabt hätte. Vermutlich kamen daher die Schulden.
Ich versuchte mit mehreren Tabellen, das Problem für sie verständlich zu machen, aber es war nicht möglich, ihr konkrete Angaben zu entlocken: Wie viel Geld hatte sie monatlich insgesamt? Wie viel brauchte sie für Lebensmittel, für die Bedürfnisse der Kinder, für sonstige Dinge?
Schließlich ging ich sogar so weit, sie nach Bankauszügen zu fragen. Ich hoffte, dadurch mehr Aufschluss zu bekommen über ihre wirtschaftliche Lage, aber leider hatte sie schon seit geraumer Zeit keine Auszüge mehr abgeholt, und es gab auch keinen Ordner, wo sie die sammelte. Ich fand einen in der Küchenschublade, aber der war ein halbes Jahr alt und allein wenig aussagekräftig. (Oder sagen wir mal, was den Kontostand anging. Auf der Rückseite hatte jemand mit Kinderhandschrift den Satz notiert »Klug scheisen giebt Arsch krebs« samt einiger eindeutiger Illustrationen.)
»Das müssen Sie unbedingt ändern«, sagte ich mahnend. »Sammeln Sie Ihre Auszüge und notieren Sie, wofür welcher Posten war.«
Sie versprach es. Sobald es ihr besser ging, wollte sie zur Bank gehen und ihre Auszüge abholen, sogar ein Haushaltsbuch führen. Aber mir war bei so viel Kooperationsbereitschaft nicht ganz wohl. Vermutlich würde sie mir alles versprechen, damit ich nicht noch länger auf diesen unerfreulichen Themen herumritt.
Schließlich wollte ich noch auf die Einschulung zu sprechen kommen. Da gab es wenigstens ein Schreiben von der Fröbelschule mit konkreten Angaben. Kevin sollte mit seiner Familie um zehn Uhr in der Kirche sein.Dort fand ein ökumenischer Gottesdienst statt, bevor die Kinder dann in der Aula der Fröbelschule begrüßt und in ihre Klassen begleitet wurden.
»Hier stehen auch die Bücher und sonstigen Sachen, die die Kinder haben sollen«, stellte ich fest. »Haben Sie die schon besorgt?«
»Wie denn?«, fragte sie zurück. Ich vermutete, dass sich das sowohl auf ihren gesundheitlichen wie finanziellen Zustand bezog.
Ich seufzte. »Gut, ich kümmere mich darum.« Genau wie um die Schultüte, deren Inhalt und saubere Sachen für den großen Tag.
»Wann ist eigentlich Ihr nächster Termin bei der Schwangerschaftsvorsorge?«, fragte ich als Nächstes. Das war ja wohl nicht so schwierig … oder doch?
Nicole wand sich ein wenig. »Ich weiß nicht genau.«
»Was heißt das? Haben Sie sich den irgendwo aufgeschrieben und wissen nicht mehr wo?«
»Nein … Ich hab den letzten verpasst, und jetzt hab ich keinen neuen.«
So langsam reichte es mir. »Dann rufen Sie da an und
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