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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Er blättert in Spiderman, liest eine Geschichte um Peter Parker, und ohne dass er gemerkt hat, wie die Zeit vergangen ist, gibt’s Abendessen. Wurst, Schinken, wieder Kaffee, Tee für Tante Gina, gute Butter auf der Stulle, drei Sorten Käse, von der eine brachial stinkt, Harzer Roller, von dem Papa immer sagt, er sei ebenso gesund wie sein Aroma – Fußaroma, findet Tom -, fetter Speck auf der Gabel, alle schmatzen, es wird wenig geredet, der Tisch wird abgeräumt und man geht zurück in die gute Stube, die inzwischen ausgelüftet ist.
    Tom verzieht sich erneut und macht sich an das neue Heft von Falk, der mit dem eckigen Kinn. Zwischendurch schläft er ein bisschen ein. Als er das nächste Mal was von den Erwachsenen hört, strömen alle zur Treppe hin, lachen, brüllen rum, Onkel Otto knutscht mit Tante Regina, Oma Käthe schimpft wie ein Rohrspatz, aber das macht sie meistens, Onkel Piefke schwenkt eine Flasche Bier, Oskar haut Papa auf die Schulter, Mama drückt Oskar weg und hält Papa am Ärmel fest, flüstert auf ihn ein.
    Tom stiehlt sich aus dem Zimmer und drückt sich an die Wand. Niemand nimmt von ihm Notiz. Alle sind zu sehr mit sich und mit etwas beschäftigt, dass sie antreibt und Toms Neugier weckt.
    Gina macht sich von Onkel Otto los und kichert wie ein kleines Mädchen. Alle poltern nach draußen, man hat was ausgeheckt und Tom will wissen, was geschehen wird. Also folgt er der Gruppe. Mama wird schimpfen, dass er nicht im Bett geblieben ist, was ihm egal ist. Wenn er schon nicht mit Ottilie reden, tuscheln, über den Besuch herziehen kann, will er wenigstens was erleben.
    Ihm stockt das Herz, als er sieht, wohin sie streben, eine Gruppe Betrunkener, die ihren Spaß haben wollen.  Was haben Papa, Onkel Piefke und Onkel Otto vor?
    Die Männer klettern über das Tor der Kleingartenanlage Lebensfreude Bergborn, wobei Onkel Otto sich das Hosenbein aufreißt, fast stürzt, Gina schreit verhalten auf, Oskar macht Psssst !, Oma Käthe schimpft immer noch und Mama schüttelt den Kopf und sagt: »Ihr seit ja völlig bekloppt.«
    Oskar bleibt vor dem Tor. Er hat Tom entdeckt, der sich hinter die Hecke verdrücken will, blinzelt und winkt ihn heran. »He, mein Freund, alles dicke? Die brauchen mich hier draußen ... Schmiere, verstehste?«, blinzelt er vielsagend.
    »Was habt ihr vor?«, haucht Tom, der nichts versteht.
    »Flaggen klauen. Dat is’n Hobby von richtige Männers.«
    Tom meint, sich verhört zu haben. Flaggen klauen? Die Masten hoch?
    »Beide Flaggen, Pimmock. [2]   Die vonne Gattenanlage und die von Bergborn. Richtig Beute machen.«
    »Aber das ist unrecht. Das ist ... Diebstahl«, wispert Tom.
    »Unsinn«, Oskar nimmt den Nasenrücken zwischen Daumen und Zeigefinger, dreht den Kopf weg und schnäuzt aus. »Dat is nich schlimm.«
    »Typisch Kerle«, flüstert Gina. »Hauptsache auf Jagd.«
    »Und was, wenn die Morgen weg sind? Das wird in jeder Zeitung stehen«, merkt Tom an. Niemand hört ihm zu außer Oskar.
    »Dann ham sich n paar Kumpels ein Denkmal gesetzt. Lass man stecken, Pimmock. Brauchst keinen Bammel nich zu haben.«
    Was geschieht, wenn Papa und sie alle erwischt werden? Es ist dunkel, nach elf Uhr schon, weit und breit kein Mensch, eine klare Spätsommernacht. Seit einer Stunde, weiß Tom, ist Lebensfreude Bergborn geschlossen, alle sind hoffentlich zu Hause und auf dem Schild steht, Eintritt für Unbefugte verboten, Eltern haften für ihre Kinder. Na, wenigstens ist das Kind vor dem Tor. »Mama, meinst du nicht, wir sollten Papa aufhalten?«
    Mama nimmt ihn wahr, verzieht das Gesicht, verdreht die Augen. »Wer hat dir eigentlich erlaubt aufzustehen? Du solltest schon längst schlafen.« In ihren Augen blitzt Wagemut, ein Feuer, das Tom bei Mama nicht kennt, ihre Wangen glühen, sie wirkt so – jung. Und doch ist da diese Schärfe, die sie sonst nur an sich hat, wenn sie mit etwas unzufrieden ist, diese Strenge, unter der sie aussieht, als wenn sie gleichzeitig schimpfen und weinen will – und das macht sie irgendwie doch wieder alt.
    Oma Käthe schwankt etwas, sie stützt sich an Tom ab, ihr Atem riecht nach Alkohol. »Dein Vater ist ein Verrückter, genauso wie meine Söhne. Man sollte ihnen den Hosenboden lang ziehen.« Dann kichert sie und Tom meint, Erregung bei ihr zu spüren, fast schon wie ein Mädchen, gar nicht wie Omas eigentlich sein sollten.
    Den Hosenboden lang ziehen. Seinem Papa. In diesem Moment ist ihm das alles furchtbar peinlich. So sollte niemand über

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