Alles auf eine Karte
für Sie beide gewesen sein.«
Ich nickte, den Blick starr auf meine Fußspitzen geheftet. Was für ein Stimmungskiller.
»Woran ist sie denn gestorben?«, erkundigte sich Jake.
Ich hob überrascht den Kopf. Es kam nur selten vor, dass es jemand wagte, mir diese Frage zu stellen. An diesem Punkt versuchten die meisten Leute einfach, das Thema zu wechseln.
»Brustkrebs«, sagte ich leise und führte mein Glas an die Lippen.
»Wie alt waren Sie damals?«
»Ein Baby.«
»Oh, Mann, Sie haben sie also nie kennengerlernt?«
Ich verneinte.
»Es muss schwer sein, ohne Mutter aufzuwachsen.«
»Hm …« Ich versuchte, in seinen blauen Augen zu lesen, ob er bloß aus Höflichkeit weiter darüber sprach, aber es hatte den Anschein, als würde es ihn wirklich interessieren.
Also nickte ich und sagte: »Ja … Mein Dad hat sich große Mühe gegeben, aber er … Nun, er konnte mir eben nicht die Mutter ersetzen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Oh, ja. Mütter sind wirklich sensationell.«
Es wäre die ideale Gelegenheit gewesen, den Scheinwerfer auf ihn zu richten und ihn nach seiner Mom zu fragen, die zweifellos ein Engel war, nach dem zu urteilen, was er gerade gesagt hatte. Doch die Idiotin in mir faselte einfach weiter.
»Tja … Es war echt tragisch, weil mein Dad gerade dabei war, Karriere zu machen, als ich auf die Welt kam, und soweit ich weiß, hatte er eine ziemlich vielversprechende Zukunft als Baseballspieler vor sich. Aber dann wurde meine Mom krank und er musste alles aufgeben …«
Jake nickte erneut, sagte aber nichts, wohl, weil er spürte, dass ich noch mehr auf dem Herzen hatte. Genau wie Shane neulich im Steakhouse. Höflich, sensibel, respektvoll. Wow.
Ich holte tief Luft. »Nachdem er seine Baseballkarriere vorzeitig an den Nagel hängen musste, hat er es nicht geschafft, woanders Fuß zu fassen, deshalb war es ziemlich schwierig … Sie wissen schon, finanziell … und auch sonst … Mein Dad und ich … wir sind einfach … so verschieden, und das hat es auch nicht einfacher gemacht. Ehrlich gesagt ist unser Verhältnis immer noch recht kompliziert und … und … nun, manchmal unterstütze ich ihn ein bisschen, aber er kann sich trotzdem kaum über Wasser halten.« Ich verstummte und starrte wieder auf den Fußboden. Warum erzählte ich Jake das alles?
»Das tut mir leid«, sagte er.
Ich hielt den Blick gesenkt. »Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das alles erzähle. Normalerweise rede ich nicht darüber.«
»Sie haben Schuldgefühle, nicht wahr?« Das war eindeutig keine Frage, sondern eine Feststellung.
Ich hob den Kopf und versuchte zu lachen. »Ist das so offensichtlich, Mister McIntyre?«
»Nun, Sie sind offenbar beruflich erfolgreich, während Ihr Vater nach wie vor nicht in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen. Da ist es doch nur natürlich, dass Sie deswegen ein wenig das schlechte Gewissen plagt.«
Ich zuckte die Achseln. »Schon möglich. Mein Dad weiß jedenfalls genau, wie er es anstellen muss, dass ich mich schuldig fühle.«
»Ich bin sicher, Sie bedeuten Ihrem Vater viel mehr als seine berufliche Laufbahn, Waverly.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist lieb von Ihnen, aber ich bezweifle es.«
»Glauben Sie wirklich, er hätte lieber an seiner Baseballkarriere gearbeitet, statt Vater zu werden?«
Ich nickte. »Hin und wieder, ja.«
»Ist das Ihr voller Ernst?«
Ich lächelte schief. »Nein, nur mein halber. Aber manchmal weiß ich nicht so recht, welche Hälfte überwiegt … So, damit habe ich jetzt gründlich die Stimmung vermiest, und deshalb finde ich, wir sollten lieber über Sie reden. Wo leben Ihre Eltern?«
Er hob die Hände. »Okay, ich werde nicht länger den Hobbypsychologen spielen. Meine Eltern leben seit Jahr und Tag in Miami, in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Ich habe zwei ältere Geschwister. Mein Bruder wohnt nur ein paar Kilometer von meinen Eltern entfernt, und meine Schwester lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Boston.«
»Wie schön«, sagte ich und überlegte, wie wir das Thema Familie endgültig hinter uns lassen konnten. Als mein Blick zwei Security-Männer streifte, die am Notausgang standen, sagte ich: »Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass fast alle Polizisten Schnurrbart tragen?«
Er hob eine Augenbraue. »Schnurrbart?«
»Ja, genau wie das Wachpersonal bei diesen ganzen Sicherheitsdiensten. Wie kommt das?«
Jake schmunzelte. »Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht.«
»Ich aber.
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