Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
vielleicht etwas älter als sie, die sie ein wenig an Julia erinnerte, eine Frau, die eine Freundin hätte werden können.
Eine Sekunde später fiel ihr die wahre, sehr sonderbare Natur ihrer Beziehung ein. Aus irgendeinem Grund reagierte ihr Nervensystem, als schämte sie sich, und sie lief feuerrot an. Ihre Kehle wurde ganz trocken. Sie blickte panisch zu Patrick und Jack, die immer noch in ihre Diskussion über knusprige Nussflocken vertieft waren. Saskia schüttelte unmerklich den Kopf, als wollte sie sagen: Sag’s ihnen nicht!, und ging an ihnen vorbei.
»Alles in Ordnung?« Patrick hatte sich im gleichen Augenblick umgedreht, als Saskia mit ihrem Einkaufswagen am Ende des Gangs um die Ecke gebogen war.
»Mir ist bloß ein bisschen schwindlig«, hatte Ellen erwidert. (Eine Schwangerschaft war in dieser Hinsicht äußerst praktisch.)
Seit diesem Zwischenfall hatte sie irgendwie ein schlechtes Gewissen, so als ob sie mit Saskia unter einer Decke steckte und sie beide Patrick betrügen wollten. Aber wieso hätte sie ihm etwas von der Begegnung im Supermarkt erzählen sollen? Seit Saskia ihnen selbst nach Noosa gefolgt war, schien sein Hass auf sie eine neue, intensivere Dimension erreicht zu haben. Der Ausdruck in seinen Augen, wenn er über sie sprach, jagte Ellen manchmal Angst ein. An dem Abend, als sie den Teller ihrer Großmutter an die Wand geworfen hatte, war Patrick mit weiteren Kartons (und Blumen als Entschuldigung für seinen zornigen, Türen knallenden Aufbruch) nach Hause gekommen und hatte gesagt: »Sie hat vor meinem Haus auf mich gewartet, dieses psychopathische Miststück.«
Warum hatte Saskia den Kopf geschüttelt, als sie Ellen begegnet war? Die Geste hatte tatsächlich etwas Verschwörerisches gehabt. Legte sie normalerweise nicht Wert darauf, dass Patrick ihre Anwesenheit bemerkte? Ging es ihr nicht darum? Und wenn nicht, worum ging es ihr dann? Glaubte sie allen Ernstes, Patrickwerde irgendwann zu ihr zurückkehren? Wie sollte das alles enden? Und wann? Saskia war Ellen ein Rätsel, das sie unbedingt lösen wollte.
Patrick öffnete die hintere Wagentür, beugte sich hinein und nahm den Blumenstrauß heraus. Er hielt ihn mit beiden Händen in Brusthöhe wie ein nervöser Verehrer auf dem Weg zu seiner Angebeteten. Die Lippen zu einem seltsamen angedeuteten Lächeln verzogen, sah er Ellen an und sagte verlegen: »Also dann.«
Jack kickte mit dem Fuß ins Gras und machte dazu »peng, peng!«. Es hörte sich an, als ahmte er eine Schusswaffe nach.
»Jack«, sagte Patrick tadelnd.
»Was?«
»Hör auf damit.«
»Womit?«
»Komm jetzt. Gehen wir.«
Jack lief voraus. Ellen ging neben Patrick. Sie ließ ihren Blick über die Namen auf den Grabsteinen schweifen und fragte sich, ob es wohl unpassend sei zu erwähnen, dass ihr schlecht war. Sie wünschte, sie hätte einen der Weizenkekse dabei, die sie auf der Arbeitsfläche in der Küche hatte liegen lassen.
Sie war jetzt in der elften Schwangerschaftswoche, und die Übelkeit, die bislang lediglich so etwas wie eine lästige kleine Nebenerscheinung gewesen war, war plötzlich sehr viel stärker geworden. So stark, dass sie sich an diesem Morgen erbrochen hatte. Sie musste nie brechen. Sie fand schon das Wort eklig. Über die Kloschüssel gebeugt auf dem Fußboden knien, war entsetzlich unbequem und entwürdigend. Sie hätte am liebsten nach ihrer Mutter gerufen, was geradezu absurd war, weil ihre Mutter nie Mitleid mit ihr gehabt hatte, wenn sie sich als Kind unwohl gefühlt hatte. Anne hatte ihrer Tochter dann immer von den wirklich kranken Kindern erzählt, die sie an dem Tag behandelt hatte.
Colleen war es während der Schwangerschaft anscheinend nie schlecht geworden. Bis zum achten Monat hatte sie noch jede Woche Tennis gespielt!
Seit sie sich verlobt hatten, redete Patrick definitiv mehr über Colleen. Das war eine Tatsache, Ellen bildete sich das nicht ein. Sie hatte sich im Geist Notizen gemacht: Patrick hatte Colleen während der ganzen letzten Woche täglich mindestens einmal erwähnt. So wusste sie jetzt, dass Colleen während der Schwangerschaft einen Kopfhörer auf ihren dicken Bauch gelegt und dem Baby jeden Abend klassische Musik vorgespielt hatte (Ellen hatte genau das Gleiche für ihr Ungeborenes tun wollen, die Idee aber jetzt verworfen); sie wusste, dass Colleen während ihrer Schwangerschaft einen Heißhunger auf Salz- und Essigchips verspürt hatte, dass sie in den ersten Schwangerschaftsmonaten abgenommen hatte, was
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