Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
Eltern gelaufen war. Aber wenn Jack im Haus war, konnte Ellen nicht offen reden.
»Das heißt, ich muss heute Mittag auf Jack aufpassen?«, fragte sie, um ganz sicherzugehen.
»Na ja, er ist doch schon groß, er braucht keinen Babysitter mehr, nicht wahr, Kumpel?« Patrick sah seinen Sohn im Rückspiegel an. »Er kann sich gut mit sich selbst beschäftigen. Musst du nicht noch Hausaufgaben machen, Jack?«
Ellen unterdrückte einen genervten Seufzer. Sie hatte bereits das Vergnügen gehabt, den Jungen bei seinen Hausaufgaben zu beaufsichtigen, vielen Dank. Es war verdammt anstrengend, ihn dazu zu kriegen, aufrecht am Tisch sitzen zu bleiben, seinen Füller in der einen Hand, seine Bücher aufgeschlagen vor sich. Entweder er rutschte halb von seinem Stuhl herunter und legte seinen Kopf auf den Tisch, als ob er krank wäre, oder er sprang auf und lief weg, weil ihm plötzlich etwas Besseres eingefallen war.
Ellen suchte immer noch nach einem Zugang zu Jack. Nicht, dass der Junge sich gegen sie aufgelehnt oder sie wie die böse Stiefmutter behandelt hätte. Nein, er war freundlich und entspannt, sie war diejenige, die nervös und angespannt war. Ihr fiel selbst auf, wie schrecklich aufgekratzt ihre Stimme klang, wenn sie mit ihm redete. Das erinnerte sie an damals, als sie vierzehn und in den einbeinigen Jungen aus der Nachbarschule verliebt war. Giles war nett zu ihr, so wie zu allen Mädchen, die für ihn schwärmten, und während Ellen ihn am Bahnhof vollquatschte, um ihn irgendwie zu beeindrucken, bevor der Viertel-vor-vier-Zug einlief, nahm sein Gesicht den gleichen nachsichtigen, zerstreuten Ausdruck an wie Jacks Gesicht heute. Im Grunde interessiert mich dein Geschwätz nicht die Bohne , besagte dieser Ausdruck, aber da ich ein netter Mensch bin und deine Gefühle nicht verletzen möchte, lächle ich einfach so lange, bis du den Mund hältst.
Versuchte sie, die Coole zu spielen und so zu tun, als kümmere es sie nicht, was Jack von ihr dachte, war es noch schlimmer. Jackwar nämlich so selbstständig, so sehr mit seinem eigenen Leben beschäftigt, dass er Ellen darüber vollständig vergaß. Nicht anders war es ihr mit Giles ergangen.
Nun, sie hatte es ja so gewollt. Der Gedanke, ein Stiefkind zu haben, eine Instant-Familie, hatte ihr gefallen. Sie sollte froh sein, dass Patrick sie wie seine Frau behandelte und es für selbstverständlich hielt, dass sie seinen Sohn bei den Hausaufgaben beaufsichtigte. Sie sollte ihre ganze Aufmerksamkeit auf den armen kleinen Jungen konzentrieren, der mit fünf Jahren nicht nur eine, sondern schon zwei Mütter verloren und wahrscheinlich mit schrecklichen Verlustängsten zu kämpfen hatte.
»JA!«, schrie Jack und riss seine Arme mit der Spielkonsole in die Höhe.
»Herrgott!«, entfuhr es Patrick. »Hör auf, gegen meinen Sitz zu treten!«
Aber hätte Patrick sie nicht zuerst fragen sollen? Nutzte er sie nicht aus, wenn er einfach davon ausging, sie werde schon Zeit haben?
Andererseits hatte sie ihre Verabredung zum Kaffee mit Julia auch getroffen, ohne Patrick vorher zu fragen. Sie hatte sich wie ein Single benommen, so als ginge Jack sie nichts an.
Es war furchtbar schwer herauszufinden, was fair war und was nicht. Vermutlich durchliefen Eltern beim Treffen von Verabredungen und Vereinbaren von Terminen so etwas wie einen Entscheidungsfindungsprozess. Ellen nahm sich vor, ihre Freundin Madeline danach zu fragen.
»Ich dachte, du hättest gesagt, du würdest heute Nachmittag die Umzugskartons aus dem Flur schaffen«, sagte sie.
Der Samstag war mit Jacks sportlichen Aktivitäten ausgefüllt gewesen, und Patrick hatte versprochen, die Kartons an diesem Wochenende wegzuräumen.
»Mach ich, keine Sorge«, erwiderte er. »Gleich, wenn ich vom Büro zurück bin.«
Er würde es nicht tun. Sie wusste, dass er es wieder nicht tunwürde. Nach der Fahrt und der anschließenden Büroarbeit würde er zu müde dafür sein. Es würde zu spät werden. Wenn er nach Hause kam, würde Jack seine Aufmerksamkeit beanspruchen, und danach würde Patrick sich aufs Sofa fallen lassen und sich die Nachrichten im Fernsehen ansehen. Es wäre fies, ihn dann noch an sein Versprechen zu erinnern. In seinen Augen wäre das »Nörgeln«. Also würde sie diese Kartons eine weitere Woche in ihrem Flur stehen haben.
Dieser ganze Krempel hatte katastrophale Auswirkungen auf das Feng Shui ihres Hauses. Sie glaubte sich zu erinnern, dass die Haustür »der Mund des Qi« genannt wurde. Hier sollte
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