Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
Mahlzeiten für ein Kleinkind und Gourmetgerichte für seinen Vater zubereitete, die auf Partys und zu Grillfesten und ins Kino ging, die Sex am Sonntagmorgen hatte, die nichts weiter als ein durchschnittliches Mitglied der Spezies Mensch war?
Jene Saskia kommt mir wie jemand anders vor, jemand, den ich gut kannte, den ich gern hatte – aber der nicht ich war.
Ich habe mir nie die Mühe gemacht, Patrick am letzten Sonntag im Monat nachzufahren. Ich weiß, wohin er geht. Ich weiß, welche Blumen er kaufen wird und bei welchem Blumenhändler er sie bestellt. Ich weiß, dass er auf dem Weg in die Berge Colleens Grab besuchen wird. Das eine Mal, als ich mitfuhr, wollte er, dass ich mit ihm an ihr Grab gehe. Ich weigerte mich. Ich hielt das für eine völlig verrückte Idee. Wenn ich stürbe, sagte ich, würde ich nicht wollen, dass er seine neue Freundin mitbrachte, damit sie auf meinem Grab tanzte. »Du sollst ja nicht darauf tanzen «, sagte er. Aber Jack war in seinem Kindersitz eingeschlafen, als wir am Friedhof ankamen, und ich sagte, wir sollten ihn nicht wecken, ich würde bei ihm im Auto bleiben.
Ich dachte mir schon, dass er Ellen demnächst mit in die Berge nehmen würde. Ich meine, jetzt, wo sie zusammenwohnen und bald heiraten werden und so. Jetzt, wo er eine richtige Beziehung hat und Jack bald eine richtige Stiefmutter.
Ich habe vom Auto aus beobachtet, wie die drei aus Ellens Haus kamen. Wie eine richtige kleine Familie sahen sie aus. Jack war viel zu dünn angezogen für eine Fahrt in die Berge im Frühling.Er trug nur ein langärmeliges T-Shirt. Ich hätte Ellen am liebsten zugerufen: »Ziehen Sie dem Jungen eine Jacke an!« Aber ich tat es nicht. Ich habe immer versucht, Jack aus allem herauszuhalten, um ihn nicht zu verstören.
Ellen hat mich nicht gesehen, aber Patrick. Er schaute mir sogar ein paar Sekunden direkt in die Augen. Dann zog er die Nase hoch, zuckte mit den Schultern und setzte seine Sonnenbrille auf – wie ein Gangster auf einer Beerdigung, der die anwesenden Polizeibeamten bemerkt hat.
Das war merkwürdig, als ich ihnen neulich im Supermarkt begegnet bin. Ich war ihnen eigentlich gar nicht gefolgt. Ich war rein zufällig da. Mehr oder weniger. Ich bin auf dem Nachhauseweg vom Büro an ihrem Haus vorbeigefahren, und da kam mir der Gedanke, noch ein paar Sachen zu besorgen. Ich dachte nicht einmal an Patrick und Ellen, was ein seltener Luxus ist. Ich wollte Hafermehl kaufen. Ich hatte plötzlich Lust auf Hafermehlkekse. Ich habe seit Jahren keine Kekse mehr gebacken. Nicht mehr, seit ich mit Patrick zusammen war. Er und Jack liebten es, wenn ich welche backte. Aber als ich alle Zutaten eingekauft hatte und nach Hause kam, war mir die Lust zu backen vergangen. Wozu auch? Ellen war diejenige, die Kekse backen sollte, nicht ich.
Als Ellen mich im Supermarkt sah, guckte sie schnell wieder weg, fast so, als ob es ihr peinlich wäre oder sie ein schlechtes Gewissen hätte. So, als ob sie die Stalkerin wäre, nicht ich.
So nennt Patrick mich – eine Stalkerin. Ich war total schockiert, als er mir das zum ersten Mal ins Gesicht schleuderte. Ich, eine Stalkerin? Ich war doch nicht irgendeine Irre, die ihn belästigte! Wir hatten zusammengelebt. Wir hatten versucht, ein Kind zu zeugen. Ich verfolge ihn doch nur deshalb, weil ich ihn sehen, mit ihm reden, ihn verstehen möchte.
Aber vielleicht bin ich streng genommen genau das – eine Stalkerin.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mit dreiundvierzig Jahren noch allein sein würde. Ich hätte nie gedacht, dass ich keine Kinderhaben würde. Ich hätte nie gedacht, dass ich eine Stalkerin werden würde.
Ich habe den Kopf geschüttelt, als Ellen mich ansah, weil ich nicht wollte, dass Jack Angst bekam, falls Patrick sich aufführte, als wäre ich eine potenzielle Mörderin. Wenn sie zusammen sind, versuche ich immer, unsichtbar zu sein. Das gehört zu meinem ganz persönlichen Stalker-Kodex.
Ich sparte mir die Mühe, ihnen heute in die Berge hinauf zu folgen. Erstens mag ich diese kurvenreichen Straßen nicht, und zweitens wollte ich nicht, dass Patrick mit Jack im Auto raste. Ich blieb also bis zur Schnellstraße hinter ihnen, um sicherzugehen, dass sie wirklich zu Colleens Eltern fuhren, und bog dann an der nächsten Ausfahrt ab.
»Viel Vergnügen!«, rief ich ihrem Auto hinterher, während es immer kleiner wurde.
Und dann lag der ganze Sonntag vor mir wie ein boshafter Scherz. Auf dem Heimweg stellte ich mir vor, worüber die drei sich
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