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Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Alles aus Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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ich mir immer noch wie die Mutter eines kleinen Kindes vorkomme, obwohl der Junge doch inzwischen in die Schule geht und gar nicht mehr mein Junge ist. Es ist, als wäre ich in der Zeit festgefroren. Na klar, sagten die Bauunternehmer und glucksten vor Lachen, wir werden ihn Saskias Gute-Laune-Platz nennen. Sie sagten es in gutmütig flirtendem Tonfall, aber gleichzeitig eine Spur herablassend. Die kennen mich nicht – ich werde wie eine Löwin für meinen Platz kämpfen. Ich tue es für die Mütter und ihre Kinder.
    Erfüllt von einer tiefen beruflichen Zufriedenheit und mit dem Gedanken daran, was ich an Stadtplanung so liebte, ging ich zu meinem Auto. Ich war gerade eingestiegen, als mein Handy klingelte. Es war Tammy. Meine alte Freundin Tammy Cook. Die, die mich bei sich aufgenommen hatte, als Patrick mir erklärt hatte, es sei vorbei.
    Sie war mir damals eine wirklich gute Freundin. Sie hat sich um mich gekümmert wie um jemanden mit einer schweren Behinderung. Sie hat mir Hühnersuppe gekocht, hat mir Tee aufgebrüht und meine Hand gehalten, während ich auf dem Bett lag, an die Decke starrte und zu atmen versuchte, obwohl ich das Gefühl hatte, ein Lastwagen parke auf meiner Brust. Ich weiß noch, wie ich sie fragte, ob das Leben jemals wieder so wie früher sein werde, und sie antwortete: »Aber sicher doch, Schätzchen.« In diesem Punkt irrte sie allerdings. Aber sie war trotzdem ein nettes Mädchen, eines von jenen, die »Schätzchen« zu einem sagen und »ich hab dich lieb«. Ich kann nicht glauben, dass ich einmal eine Freundin wie Tammy hatte. Das ist so, als hätte ich einmal fließend Französisch gesprochen und würde heute kein einziges Wort mehr von dieser Sprache verstehen.
    Nachdem ich bei ihr aus- und in meine Doppelhaushälfte eingezogen war, tat sie alles, um unsere Freundschaft aufrechtzuerhalten. Sie wollte, dass ich tanzen ging und mich in Nachtklubs und Bars setzte. Sie wollte, dass ich aus meinem Tief kam, mich zusammenriss, es ihm zeigte, mich wieder unter die Leute mischte.
    Ich weiß noch, wie ich dachte, das sei einfach nicht gerecht. Wäre Patrick bei einem Autounfall ums Leben gekommen, hätte ich jahrelang um ihn trauern dürfen. Die Leute hätten mir Blumen und Beileidskarten geschickt und mir etwas zu essen vorbeigebracht. Ich hätte seine Fotos an ihrem Platz belassen, hätte über ihn reden, in Erinnerungen an die schönen Zeiten schwelgen dürfen. Aber weil er mir den Laufpass gab, weil er noch am Leben war, galt meine Trauer als würdelos und jämmerlich. Ich war keine richtige Feministin, wenn ich darüber sprach, wie sehr ich ihn liebte. Er liebte mich nicht mehr, also musste ich auch aufhören, ihn zu lieben. Augenblicklich . Zack, zack! Stell deine blöden Gefühle aufder Stelle ab. Deine Liebe wird nicht mehr erwidert, deshalb ist sie mit sofortiger Wirkung idiotisch.
    Patrick und Jack waren aus meinem Leben verschwunden, als ob sie gestorben wären, doch eine Tragödie war das nicht. Paare trennen sich andauernd. Mit Mums Tod war es das Gleiche. Alte Leute sterben andauernd. Und sie war krank! Im Grunde also ein Segen. Was macht es schon, dass du ihre Stimme nie mehr hören wirst? Was macht es schon, dass du Jack nie wieder eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen wirst? Was macht es schon, dass du nie wieder mit Patrick schlafen wirst?
    Sieh zu, dass du darüber hinwegkommst, das Leben geht weiter, reiß dich zusammen, Mädchen! Ich sollte möglichst schnell wieder glücklich sein – mir eine neue Frisur zulegen, Abendkurse besuchen –, und es war für die Leute schlichtweg ärgerlich, dass ich das nicht wollte, dass ich das nicht konnte. Kein Wunder, dass Tammy still und heimlich aus meinem Leben verschwand.
    Und jetzt war sie wieder da, nach all den Jahren, und ihre Stimme an meinem Mobiltelefon klang genau wie immer. Tammy hörte sich immer ein wenig atemlos an, so als wäre sie gerade um den Block gerannt.
    »Saskia, Schätzchen, ich bin wieder in Sydney!« Ich wusste gar nicht, dass sie die Stadt verlassen hatte. »Du bist nicht auf Facebook!«, fuhr sie fort. »Wie sollen deine alten Freunde dich denn finden, wenn du nicht auf Facebook bist!«
    Sie tat, als hätten wir uns einfach aus den Augen verloren, so wie ganz normale Leute. Sie verlor kein Wort über Patrick. Sie fragte, ob wir Mittwochabend etwas trinken gehen wollten. Klar, gern, antwortete ich, und ich spürte hinter der Autoscheibe die Sonne auf meinem Gesicht, und ich dachte: Nie im Leben brauche ich

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