Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
schlechter Mensch.
Er wird mich nie so sehr lieben, wie er Colleen geliebt hat.
Irgendwann wird er mich verlassen, und ich werde eine alleinerziehende Mutter sein wie meine Mum.
Ohne Job.
Und zu allem Überfluss werde ich in fünf sehr kurzen Jahren vierzig sein. Vierzig!
Sie fasste einen Entschluss. »Mary-Kate!«, rief sie und ging mit energischen Schritten in den Flur hinaus, als Patrick gerade zur Seite trat, um Mary-Kate hereinzulassen. »Es tut mir sehr leid, aber ich muss unseren Termin absagen. Und ich kann Ihnen auch keinen neuen geben.«
Mary-Kate machte ein verblüfftes Gesicht. Ellen fiel auf, dass etwas an ihr anders war. Ihr Gesicht sah nicht so aufgeschwemmt aus wie sonst. Außerdem hatte sie einen langen, butterblumengelben Schal um den Hals geschlungen und einen Blumenstrauß in der Hand.
»Ich will nur noch mal nach Jack sehen, bevor ich gehe.« Patrick warf Ellen über Mary-Kates Kopf hinweg einen Blick zu, der so etwas wie »Willst du jetzt alle deine Patienten verprellen?« besagen wollte. Dann zuckte er kaum merklich mit den Schultern und eilte die Treppe hinauf.
»Stimmt was nicht?«, fragte Mary-Kate.
»Ehrlich gesagt, ja«, erwiderte Ellen. »Morgen wird wohl ein Zeitungsartikel über mich erscheinen, der meinen Ruf ruinieren wird.«
»In welcher Zeitung?«, fragte Mary-Kate sofort, als ob sie loslaufen und sich eine Ausgabe besorgen wollte.
» The Daily News . Mir wäre es wirklich lieber, Sie würden es nicht lesen, wissen Sie. Worauf ich hinauswill … «
Mary-Kate ließ sie nicht ausreden. »Na, dann wollen wir mal sehen, was ich für Sie tun kann. Oh, die hier sind übrigens für Sie.« Sie überreichte Ellen den Strauß.
»Vielen Dank.« Ellen starrte die Blumen an. Sie waren gelb, wie Mary-Kates Schal. »Das ist wirklich nett, dass Sie mir helfen wollen, aber ich wüsste nicht …«
»Erzählen Sie mir alles.«
»Wie bitte?«
»Erzählen Sie mir genau, was passiert ist, jedenfalls soweit Sie damit nicht gegen Ihr Berufsgeheimnis verstoßen.«
»Entschuldigung, aber ich glaube, ich verstehe nicht ganz …«
»Ich bin Anwältin«, erklärte Mary-Kate. »Mein Spezialgebiet sind Verleumdungsklagen.«
24
Aber ich habe einen kleinen Jungen!
C OLLEEN S COTTS ERSTE W ORTE, ALS IHR MITGETEILT WURDE, DASS SIE NUR NOCH EIN PAAR M ONATE ZU LEBEN HABE
Ich träumte, mein Kollege Lance saß zusammen mit einer blassen, rothaarigen Frau, die ich nicht kannte, an meinem Krankenbett.
»Nein, Lance, ich habe mir The Wire immer noch nicht angeschaut«, sagte ich zu meiner eigenen Belustigung.
»Das macht nichts«, erwiderte er. Es war kein Traum. Lance saß tatsächlich an meinem Bett.
»Haben Sie starke Schmerzen?«, fragte die Rothaarige. »Meine Cousine hat sich vor Jahren das Becken gebrochen. Sie sagte, die Schmerzen seien schlimmer gewesen als bei einer Entbindung.«
»Kann ich nicht sagen, ich habe nie entbunden«, antwortete ich. Wer war diese Frau?
»Ich auch nicht. Aber das ist der allgemeingültige Maßstab für Schmerzen, nicht wahr? Als ob man keine Ahnung hätte, was Schmerzen sind, wenn man kein Kind zur Welt gebracht hat. Ich hab gehört, wenn einem ein Nierenstein abgeht, ist das sehr viel schlimmer.«
»Ich finde, wir sollten sie vom Thema Schmerzen ablenken«, warf Lance ein.
»Ich wollte ja nur mein Mitgefühl zeigen«, sagte die Frau und fügte seufzend hinzu: »Ich sage bei Krankenbesuchen immer das Falsche.« Sie sah mich an und fuhr fort: »Ich bin übrigens Kate.Lance’ Frau. Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern. Wir haben uns letztes Jahr auf der Weihnachtsfeier kennengelernt.«
»Ja, natürlich«, antwortete ich, obwohl ich nicht sicher war, mich an diese Begegnung zu erinnern. Hatte ich in den letzten Jahren nicht immer nach einem Vorwand gesucht, um mich vor der Weihnachtsfeier zu drücken?
»Wir dachten, wir schauen auf einen Sprung vorbei«, sagte Lance.
»Wir wollen ins Kino«, ergänzte Kate.
Ein Schweigen trat ein. Ich überlegte krampfhaft, was ich sagen könnte. Ich verstand nicht, warum die beiden mich besuchten.
Dann fragte ich: »In welchen Film geht ihr?« Und Lance sagte im gleichen Augenblick: »Ich habe eine Karte mitgebracht, alle im Büro haben unterschrieben.«
Er reichte mir einen weißen Umschlag mit meinem Namen darauf.
»Und Pralinen.« Kate hielt eine Schachtel hoch und zeigte fingerwedelnd mit der anderen Hand darauf wie die Moderatorin einer Spielshow. »Und Schundhefte. Ach ja, und Trauben. Nicht besonders
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