Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
Gedanken gestattete – jetzt, da ich schwanger bin … das Baby … Heißhunger … – , hatte sie das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Sie konnte doch sicher nicht ohne eine Art Einreiseerlaubnis in diese ganze komplizierte Welt der Mutterschaft platzen, oder? Und was musste sie tun, um diese Einreiseerlaubnis zu erhalten? Heiraten? Es kam ihr total verrückt vor, dass der Gedanke an eigene Kinder bis zum Vortag noch in weiter Ferne gelegen hatte. Ein Besuch in der Apotheke genügte bei ihr anscheinend, um einen unstillbaren Heißhunger auf Bratkartoffeln zu bekommen und ständig an »das Baby« zudenken. Als Nächstes würde sie Essiggurken und Eiscreme futtern.
Die Kohlehydrate und die miese Fernsehsendung versetzten Ellen in einen komatösen Zustand. Ihr Kopf fühlte sich an wie mit Baumwolle vollgestopft.
Babyhirn.
Schluss jetzt, Ellen!
Als das Telefon klingelte, stellte sie ihren Teller auf den Tisch, stemmte sich ächzend vom Sofa hoch und watschelte, eine Hand im Kreuz, zu dem altmodischen Apparat. O Gott, jetzt ging sie schon wie eine Schwangere! Sie zwang sich zu einer aufrechten Haltung und schalt sich, der beeinflussbarste Mensch auf der Welt zu sein.
»Hallo?«
Es war Melanie, ihre Patentante. Ein Glück. Mel redete nicht gern am Telefon und hatte es deshalb immer eilig, das Gespräch zu beenden. Es würde also nicht lange dauern, und Ellen könnte sich wieder vor den Fernseher setzen und die erheiternd blöden Schönen und die liebenswert vertrottelten Trottel genießen.
»Ich wollte dir nur sagen, wie sehr ich Patrick mag«, sagte Mel. »Ich mag ihn wirklich sehr, sehr gern. Was für ein Fortschritt gegenüber diesem Jon, diesem selbstzufriedenen Arsch. Du nimmst mir das hoffentlich nicht übel.«
»Der selbstzufriedene Arsch wird demnächst heiraten«, erwiderte Ellen.
»O je, das arme Mädchen!«, sagte Mel in einem Ton aufrichtigen Bedauerns. »Da hast du ja noch mal Glück gehabt.«
Und damit war Jon wieder weggesperrt, in den Aktenschrank ganz hinten in Ellens Gedächtnis, wo er hingehörte. Ellen empfand tiefe Dankbarkeit und Zuneigung ihren beiden Patentanten gegenüber. Pip hatte nämlich ebenfalls angerufen und eine lange, kichernde Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen, in der sie von Seelenverwandten und Hochzeitsglocken faselte und fragte, ob sie zu alt für eine Brautjungfer sei. Ellens Mutter hatte natürlich noch nichts von sich hören lassen.
»Deine Mutter mag ihn auch«, sagte Mel.
»Hat sie das gesagt?«, fragte Ellen.
»Na ja, nicht direkt«, gestand Mel. »Aber ich habe es ihr angemerkt. Da wir gerade von deiner Mutter reden … Kam sie dir am Freitag irgendwie anders vor?«
»Nein, eigentlich nicht«, erwiderte Ellen zögernd, während sie sich mühsam an Annes Verhalten an jenem Abend zu erinnern versuchte. Sie war so sehr auf Patrick und sich selbst fixiert gewesen, dass sie kaum auf ihre Mutter geachtet hatte. »Wieso fragst du?«
»Ach, nur so. In letzter Zeit tut sie ein bisschen geheimnisvoll, weißt du, so als verschweige sie uns etwas.«
Ach, Mel, im Augenblick schleppe ich selbst ein sehr großes Geheimnis mit mir herum. Ich kann mich nicht auch noch um die Geheimnisse meiner Mutter kümmern. Ich bin die Junge, diejenige, die im Mittelpunkt des Interesses stehen sollte. Warum konnte ihre Mutter nicht langweilig und berechenbar sein und die bedeutendsten Ereignisse ihres Lebens hinter sich haben so wie Patricks Mutter?
Diese kindischen Gedanken gingen Ellen durch den Kopf, während sie sehnsüchtig zu ihren Bratkartoffeln und dem flimmernden Fernseher sah.
»Du denkst doch nicht, dass sie krank ist, oder?«, fragte sie in plötzlicher Panik, so als würde sie für ihre selbstsüchtigen Gedanken bestraft.
»Nein, nein«, entgegnete Mel. »Wie dumm von mir, ich hätte nichts sagen sollen, ich wollte dich nicht beunruhigen. Anne geht es blendend. Erst letzte Woche hat sie mich beim Tennis haushoch geschlagen. Wahrscheinlich bilde ich mir das alles nur ein. Oder ich bin süchtig nach ein bisschen Tratsch. Achte nicht auf mich. Ich wollte nur anrufen, um dir zu sagen, dass ich Patrick wirklich gern habe. So, jetzt habe ich dich aber lange genug aufgehalten. Ich melde mich wieder, bis dann!«
Schon hatte sie aufgelegt. Niemand beendete ein Telefonat so abrupt wie Melanie, ganz im Gegensatz zu Phillipa, die mindestens zwanzig Minuten brauchte, um eine Unterhaltung zum Abschluss zu bringen. Hätte Pip gesagt, Anne benehme sich merkwürdig, hätte
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