Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
hinauf, bis Patrick tiefer und tiefer in Trance versank, tiefer, als sie ihn jemals geführt hatte.
Sie zwickte ihn in den Arm. Patrick zuckte nicht einmal. Spontane Anästhesie.
Bei einem Patienten würde sie an diesem Punkt eine posthypnotische Suggestion einbetten. Einem Raucher würde sie beispielsweise sagen: »Jedes Mal, wenn Sie eine Schachtel Zigaretten öffnen, werden Sie ein überwältigendes Gefühl von Ekel und Abscheu verspüren.« Einem Übergewichtigen könnte sie befehlen: »Sie werden von nun an stets langsam und sorgfältig kauen und nur noch das essen, was Ihr Körper wirklich braucht.«
Aber Patrick hatte sie nicht um Hilfe bei einem bestimmten Problem gebeten. Er wollte nichts weiter, als seine innere Anspannung abzustreifen und eine Nacht tief und fest durchzuschlafen.
Als Therapeutin würde sie nur erfahren, was er ihr mitteilte. Als seine Freundin wusste sie zufällig, dass dieses Wochenende ein gewaltiges Stresspotenzial in sich barg.
Daher sagte sie: »Du wirst dich das ganze Wochenende hindurch wunderbar entspannt und rundherum wohlfühlen.«
Daran war nichts auszusetzen, schließlich befand er sich bereits in einer ausgeglichenen Verfassung.
Sie sagte: »Wenn irgendetwas Unangenehmes geschieht, wenn du etwas hörst oder siehst, das dich aufregt oder beunruhigt, werde ich dir meine Hand auf die rechte Schulter legen – so wie jetzt –, und diese Berührung wird dich sofort beruhigen und einen Zustand völliger Entspannung herbeiführen.« Die Hand auf seiner Schulter, hielt sie einen Moment inne, dann fuhr sie fort: »Egal, was das Leben für dich bereithalten wird, du wirst damit fertig werden. Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, wirst du tief in deinem Inneren wissen, was zu tun ist. Du wirst dich nicht an diese Befehle erinnern. Ich werde jetzt bis drei zählen, und bei drei wirst du aus deiner Trance kommen, und du wirst augenblicklich einschlafen und, ohne zu träumen oder aufzuwachen, durchschlafen, und wenn du morgen früh aufwachst, wirst du ausgeruht und voller Energie sein. Eins. Zwei. Drei.«
Patricks Atmung veränderte sich, wurde flacher.
»Danke«, murmelte er. Er drehte sich auf die Seite und stopfte sich ein Kopfkissen unter den Kopf. »Schlaf gut, mein Schatz.«
Dann war er eingeschlafen.
Ellen legte sich Rücken an Rücken neben ihn.
Hatte sie, vom ethischen Standpunkt aus betrachtet, eine Grenze überschritten?
Flynn würde sagen, dass sie sie bereits überschritten hatte, als sie Patrick das erste Mal auf seine Bitte hin in Trance versetzte. Danny würde lachen und sagen, es habe keine Grenzüberschreitungen gegeben. »In einer Beziehung versucht jeder, seinen Partner zu hypnotisieren«, hatte er einmal zu Ellen gesagt. »Wir können das bloß besser als der Rest der Welt.«
Wie dachte sie selbst darüber? Na ja. Sie glaubte nicht, dass sie die Grenze überschritten hatte, aber vielleicht hatte sie sich ein wenig auf die andere Seite getastet.
Sie dachte an Saskia. Jetzt konnte sie ihr ein Gesicht geben. Ein intelligentes, attraktives Gesicht. Saskia fürchtete sich nicht davor, Grenzen zu überschreiten, um Patrick zurückzugewinnen.
Grenzen waren dazu da, dass man sie überschritt.
Vielleicht tat Ellen einfach nur, was sie für ihr ungeborenes Kind tun musste. Sie war wie eine Löwin, die ihr Junges verteidigte, wie die Mutter, die in ein brennendes Haus rannte, um ihr Kind zu retten. Vielleicht war das alles aber auch nur Quatsch und nichts weiter als der Versuch, eine Rechtfertigung für etwas zu finden, von dem sie wusste, dass es falsch war.
Gut. Sie würde damit aufhören. Sie würde ihm zeigen, wie er sich selbst hypnotisieren konnte. Das war die Lösung. Ihrem gemeinsamen abendlichen Ritual haftete etwas … Unredliches an. Ellen genoss es viel zu sehr.
Sie kam sich wie ein Ministrant vor, der hoch und heilig versprach, nicht mehr zu onanieren.
Irgendwann schlief Ellen ein und träumte von Deborah, die jetzt Saskia war. Sie saß mit übereinandergeschlagenen Beinen in Ellens Patientensessel und tauchte einen Löffel in ein großes GlasHonig. Dann bog sie den Kopf ein wenig zurück, hob den Löffel hoch über ihren Kopf und ließ den Honig in einem zähen Rinnsal in ihren weit geöffneten Mund laufen.
Als sie fertig war, sah sie Ellen an und fuhr sich mit der Zunge langsam und sinnlich über ihre klebrigen Lippen.
Du hast die Grenze überschritten , sagte sie. Das weißt du genau.
Pass auf, dass kein Honig auf meinen Sessel tropft,
Weitere Kostenlose Bücher