Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
ein paarmal mit Patrick aus, und ich habe gesehen, wie er Sie ansieht, und ich denke, Sie könnten die erste ernsthafte Rivalin sein, deshalb bin ich Ihnen nach Hause gefolgt, und da habe ich dieses nette kleine Schild im Vorgarten gesehen, Ellen O’Farrell, Praxis für Hypnotherapie , praktischerweise mit Ihrer Telefonnummer darauf, und da habe ich angerufen und mir einen Termin geben lassen.«
Ich habe ihr nach jeder Sitzung gesagt, dass ich nicht das Gefühl hätte, sie habe mich in Trance versetzt, aber sie lächelte nur ihr selbstgefälliges Mona-Lisa-Lächeln, so als ob sie es besser wüsste.
Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, was in jenem gläsernen Zimmer tatsächlich geschieht. Wenn ich in dem grünen Sessel sitze, denke ich jedes Mal, dass ich ihren Anweisungen ja nicht zuzuhören brauche, ich sollte einfach an etwas anderes denken, ich bin ja schließlich nicht gekommen, um mich hypnotisieren zu lassen. Ich komme wegen unserer Unterhaltungen davor und danach. Wir reden über alles, angefangen vom Heuschnupfen bis zu der Schwierigkeit, bequeme Schuhe zu finden. Aber dann sickern mirihre Worte doch in den Kopf, und ich fange an zuzuhören, und ich denke: Na ja, es kann ja nicht schaden, wenn sich meine Lider schwer anfühlen, und bevor ich weiß, was los ist, versinke ich in dem Relaxsessel, und sie sagt zu mir, ich solle versuchen, die Augen zu öffnen, aber es geht nicht. Na ja, ich nehme an, ich könnte schon, wenn ich wirklich wollte.
Sobald sie zu reden beginnt, denke ich überhaupt nicht mehr an Patrick.
Das letzte Mal forderte sie mich auf, meine Erinnerungen nach einem vollkommenen Augenblick zu durchstöbern, einem Augenblick, in dem ich Selbstvertrauen oder Glück oder Frieden oder Macht empfunden hätte. Ich wählte die Erinnerung an das sommerliche Sonntagsfrühstück mit meiner Mutter, als ich ein kleines Mädchen war. Ich backte jedes Mal einen ganzen Stapel Pfannkuchen, und Mum tat immer so, als sei sie tief beeindruckt, und dann setzten wir uns im Garten hinter dem Haus auf eine Picknickdecke, lasen unsere Bücher und aßen unsere Pfannkuchen mit Zitrone und Zucker, und manchmal blieben wir draußen sitzen, bis es Zeit fürs Mittagessen war.
Ich soll die »Kraft dieser Erinnerung« gegen die Schmerzen in meinem Bein benutzen.
Das ist doch bloß ein Haufen Bockmist.
Glaube ich jedenfalls.
Ich weiß noch genau, wann ich diese Schmerzen zum ersten Mal verspürte. Das war unmittelbar, nachdem Mum mir ihre Diagnose mitgeteilt hatte. Ich war mit Jack einkaufen, und es dauerte eine Ewigkeit, weil Jack ständig etwas sah, das er haben wollte, was jedes Mal eine lange Diskussion nach sich zog. Am Abend hatten wir einen von Patricks Kunden zum Essen eingeladen, und ich wollte Eindruck schinden, deshalb suchte ich nach ausgefallenen Zutaten. »Mach was Einfaches«, sagte Patrick immer, aber ich hielt dagegen, dass Gäste sich geschmeichelt fühlten, wenn man sich ihretwegen Mühe gab und den Tisch mit einer Leinentischdecke, mit frischen Blumen, Stoffservietten und funkelnden Gläsern deckte. Ich liebte einen schön gedeckten Tisch. Jetzt esse ich auf dem Sofa, den Teller auf meinem Schoß, oder stehend in der Küche oder im Bett.
Der Schmerz, der plötzlich seitlich an meinem Bein hochschoss, war dem einer Muskelzerrung ähnlich und auszuhalten, aber lästig. Nach einer Weile musste ich mich anlehnen, um mein Bein zu entlasten, und Jack sagte: »Was machst du denn da, Sas?«
Am nächsten Tag passierte es wieder. Ich habe mir trotzdem nichts weiter dabei gedacht. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass ich mich Jahre später immer noch damit herumschlagen würde.
Als ich die erste Physiotherapeutin aufsuchte, war ich voller Zuversicht, dass alles wieder in Ordnung käme. Mein Bein war für mich ein Punkt auf meiner Liste, den ich abhaken wollte, so wie der Werkstatttermin für mein Auto oder der Besuch bei der Kosmetikerin für die Wachsenthaarung meiner Beine. Könnten Sie mir bitte schnell die Schmerzen nehmen? Das nervt nämlich.
Patrick zeigte sich anfangs mitfühlend, aber dann schien er die Geduld und das Interesse zu verlieren. Wir konnten keine Wanderungen mehr machen. Wir konnten nicht mehr durch die Stadt zu einem Restaurant spazieren, weil ich nach spätestens zwei Blocks eine Bushaltestelle finden und mich auf der Bank ausruhen musste. Wir konnten uns auf einer Stehparty nicht mehr zu den anderen Gästen gesellen, weil ich nach ein paar Sekunden sagte: Ich muss mich
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