Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
nur einfacher Zuschauer.« Das klang wie eine Entschuldigung für die geplanten Worte harter Kritik. Noch hoffte ich, dass mein kommunikationsstarker Carsten mich zuerst mit einem Lob besänftigen würde.
»Also, wenn du zum Beispiel sagst, du bist dünn, dann ist das nicht lustig. Du könntest ja sagen, du seiest so dünn, dass dir die Enten im Park beim Füttern das Brot zurückwerfen!«
Das sollte Carsten Bohlens erster Satz zur Beurteilung meines Meisterwerks sein? Schnippisch sagte ich: »Das ist lustiger, stimmt, aber du sollst mir was zum Gesamteindruck sagen. Hast du dich amüsiert, hast du dich unterhalten gefühlt? Wie klang die Stimme, wie gefallen dir die Tänze?«
»Das habe ich so genau nicht gesehen, ich musste mir doch Notizen machen!«, verteidigte sich Carsten.
»Du musst doch wissen, wie es dir insgesamt gefallen hat. Du solltest nicht in erster Linie den Text verbessern, das hier ist doch schon eine Stufe weiter«, blaffte ich ihn an. Wie sehr hatte ich mir gewünscht, dass er sich aufgrund meiner Show noch mal in mich verliebte, dass er nach meinen erotischen Tänzen ganz wild darauf wäre, mich zu heiraten oder wenigstens Sex mit mir zu haben. Stattdessen knurrte er mürrisch: »Dann musst du das einem Dummen vorher sagen. Und außerdem: so ohne Kostüm in deiner Beulenhose! Wie du damit aussiehst. Da kann ich gar nichts toll finden.«
Er war sauer und ich stinksauer. Da fand mein Aushilfsregisseur also, dass ich Falten hätte, mir die Kondition fehlte und ich in meinem Hausanzug kacke aussah. Fehlte nur noch, dass er mich wie Mama fragte: »Und wie war Corinna?« Tolle Probe! Der Abend war gelaufen. Nach einem schweigsamen Abendessen setzte ich mich an meinen Text, und Carsten verabschiedete sich an seinen Computer. Damals fragte ich mich, ob es sein konnte, dass unsere Beziehung schon vor der Hochzeit auseinanderbröckelte.
Und weil ich einmal dabei bin, fallen mir weitere Verhaltensweisen von Carsten ein, die mich immer schon gestört haben. Wenn ich zum Beispiel aus heutiger Sicht daran denke, wie unmöglich männlich-ignorant Carsten damals mit Krankheiten umging, als er noch gesund war … Ha! Ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals küchenpsychologisch über Partnerprobleme, über Patientenverfügungen und die Art, wie ich beerdigt werden will, mit mir hätte reden wollen. Meine Dauererkältung hatte er gar nicht erst ernst genommen.
Als ich damals das dringende Bedürfnis hatte, meine Chlamydien-Theorie mit jemandem zu besprechen, war ich die Treppen nach oben geeilt und hatte Carsten im Arbeitszimmer gefunden, am Computer sitzend und telefonierend. Mein damals noch gesundes und häufig steppendes Erdmännchen rollte mit den Augen: »Tati, ich habe zu tun. Und außerdem weißt du doch, dass mich Krankheiten nicht interessieren. Ich brauche keine Krankheiten, und darum bekomme ich auch keine!«
Damals fühlte ich mich von Carsten missverstanden und nicht ernst genommen. Im Prinzip sollte er mir einfach nur zuhören und Trost spenden. Ich weiß noch, wie ich dachte: Die Herren der Schöpfung verdrängen so lange, bis es sie selbst erwischt, und dann haben wir Frauen sie am Hals! Ich ahnte natürlich nicht, wie schnell ich recht bekommen sollte!Bei diesen Erinnerungen schreie ich den Telefonhörer lautlos an: »Siehst du, Mama, Carsten ist leider auch nur ein ganz normaler Mann, einer, der Frauen nicht versteht, wenn sie was sagen, und der alle wichtigen Dinge im Leben verdrängt. Carstens typisch männliche Verweigerungshaltung ist schon schlimm genug; dass er aber eine Etage über mir schlaflos und schmerzgepeinigt alleine in seinem Bett dahinvegetiert, empfinde ich als eine mittelschwere Beziehungskatastrophe. Hörst du, Mama? Weißt du überhaupt, dass ich ihm deshalb überhaupt nichts von Alexandras gesundheitlichen Problemen erzählt habe? Weil er nicht zugehört hätte!«
Ich starre auf das Telefon, das immer noch schwarz und still vor mir auf dem Schreibtisch liegt.
»Und weißt du was, Mama? Das Ärgerliche daran ist, dass ich mich ganz allein mit diesen ganzen Problemen auseinandersetzen muss. Ja, Mama, ich weiß, was du jetzt denkst. Ich muss dankbar sein, so einen Mann überhaupt abbekommen zu haben. So alt und faltig, wie ich bin!«
***
Die Sache mit Alexandra war ungefähr eine Woche nach Carstens Unfall passiert. Mein ehemaliger Traummann hatte sich bewegungsunfähig in seine Höhle verkrochen, während ich mich auf einen Besuch meiner Schwester freute, die
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