Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
wir das lieber mal rausschneiden! Das wird minimalinvasiv gemacht, und wenn alles gutgeht, sind Sie nach drei Tagen wieder draußen und nach einer Woche wieder fit.«
Ich blieb nach dieser Eröffnung erstaunlich ruhig, verschob meine Auftrittstermine und fand mich pünktlich zur Voruntersuchung auf der gynäkologischen Station des Klinikums ein. Eine junge Ärztin bat mich, auf dem Frauenarztstuhl Platz zu nehmen, und als sie gerade die Diagnose meiner Frau Doktor Ziesche überprüfen wollte, betrat ein Arzt den Raum. Ich saß mit nacktem Unterkörper breitbeinig auf diesem Stuhl, und die junge Ärztin sagte plötzlich: »Hallo, Herr Oberarzt Heinrich, das ist schön, dass Sie hier sind. Da können Sie gleich mal einen Blick auf die Patientin werfen!« Doktor Heinrich blickte ein wenig abwesend zwischen ihr und mir hin und her. Ich hob resigniert die Hand und sprach ihn an.
»Hallo, Herr Heinrich. Sehr erfreut, Sie in dieser Situation kennenzulernen.«
»Ich kenne Sie bereits von der Bühne. Sie sind wohl immer gut drauf?«, befand er und untersuchte mich. »Da müssen wir wohl ran. Würden Sie sich morgen früh bitte nüchtern hier auf der Station melden?«
»Nichts lieber als das!«, heuchelte ich Fröhlichkeit, obwohl ich alles andere als gut drauf war.
Am nächsten Morgen wurde ich, in Thrombosestrümpfen und OP-Kittel, per Krankenbett Hunderte Meter durch lange Flure, Fahrstühle und über Baustellen bis in den Keller der Klinik geschoben, wo sich die OP-Säle befinden.
Kaum angekommen, wurde ich nackig gemacht und verkabelt. Während mir der Anästhesist eine Dröhnung in den Arm spritzte, erschien Doktor Heinrich mit Michael-Jackson-Mundschutz, beugte sich über mich und flüsterte mir »Mach mir den Tiescher!« ins Ohr. Dann war ich weg und erwachte erst wieder in meinem Krankenzimmer. Carsten saß neben dem Bett. »Da bist du ja wieder!«, freute er sich.
»Ich habe Hunger und muss rauchen!«, waren meine ersten Worte nach der Narkose. Im Kopf noch nicht ganz klar, duldete ich keinen Widerspruch, und so gab mir mein persönlicher Krankenpfleger Carsten eine Banane und besorgte einen Rollstuhl. Mit diesem schob er mich an die frische Luft, wo ich die erste Zigarette des Tages rauchen konnte. Ich war sehr stolz auf meine unkomplizierte Genesung, doch als ich, wieder im Zimmer, von Übelkeit gepeinigt die Toilette aufsuchen und mich übergeben musste, wurde mir klar, dass es doch keine so einfache Operation gewesen sein konnte. Immerhin hatten sie mir den Bauch aufgeblasen und dann durch einen größeren Schnitt endoskopisch einen Eierstock entfernt. Das hat mir Doktor Heinrich mittels bunter, während der OP aufgenommener Fotos meines Bauchraums später erklärt.
Trotzdem erholte ich mich dank Carstens aufopferungsvoller Fürsorge sehr schnell. Schon am dritten Tag war ich so gesund, dass mich das ständige Stöhnen meiner Bettnachbarin, die Krankengeschichten der anderen Patienten, das frühe Wecken und die lautstarken Bauarbeiten im Krankenhaus nervten. Dazu kam die Sommerhitze, die den Neubau zur Sauna werden ließ. Durch die geöffneten Fenster drang das Schreien und Kreischen von der Kinderstation. Der Höhepunkt des Unerträglichen aber war der männliche Besucher meiner Bettnachbarin, der direkt vor der Toilettentür saß und mir in epischer Länge sein ganzes Leben erzählte. Ich wollte ihn nicht unhöflich unterbrechen, kam aber einfach nicht dazwischen. Dabei musste ich so dringend auf die Toilette. Als ich es nicht mehr aushalten konnte, flüchtete ich wortlos aus dem Zimmer und verschwand im Gästeklo. Ich wollte weg. Nach Hause. Zu dem besten Pfleger auf der ganzen Welt. Ich wartete also auf dem Flur, bis mir Herr Heinrich über den Weg lief. Dann baute ich mich vor ihm auf, so aufreizend, wie es in Jogginganzug, Miezekatzen-T-Shirt und Pantoffeln möglich ist, und argumentierte kompromisslos, bis er entnervt aufgab. Nur eine Viertelstunde später holte mich mein Liebster ab, und nach einem Tag unruhigen Wartens teilte mir Frau Doktor Ziesche mit, dass ich keinen Krebs hatte, es aber trotzdem gut wäre, dass das unnütze Zeug raus sei. Ich bräuchte es sowieso nicht mehr so dringend!
***
Nachdem der erste Schock über Carstens Bandscheibe überwunden ist, vereinbare ich einen Termin mit Iris für die Physiotherapie und sortiere alle verschriebenen Medikamente für die nächsten zwei Tage in Häufchen. Gerade habe ich mich mit meiner Rolle als aufopferungsvolle Pflegerin abgefunden, da
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