Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
Klapsdoktor schicken. Der hat doch auch bloß keine Ahnung!« Das wurde mir beim wöchentlichen Mutter-Tochter-Telefonat sofort vorgeworfen. Ich verstand die Psychologen-Panik meiner Verwandtschaft nicht, wussten sie doch, dass ich bereits Anfang der Neunziger die Hilfe des russischen Psychologen Pawel in Anspruch genommen und wie sehr er mir geholfen hatte.
Psychomarathon und Häufchenbildung
Ich hatte Pawel, der noch zu DDR-Zeiten aus der damaligen UdSSR nach Potsdam gezogen war, vor ungefähr fünfzehn Jahren durch die Empfehlung eines Freundes kennengelernt.
Daran, dass ich Pawels Hilfe in Anspruch nehmen musste, war Ingo schuld. Ingo, der Mann, mit dem ich den Mauerfall erlebte, der seine hundert D-Mark Begrüßungsgeld noch am Tag der Auszahlung an polnische Hütchenspieler verlor und der mich später wegen einer blöden Blondine sitzen ließ. Das Ingo-Desaster ereilte mich völlig unerwartet. Bis dahin hatte immer ICH meine Beziehungen beendet. Es traf mich wie ein Keulenschlag. Ich war zutiefst verstört, heulte, tobte und rief jeden Abend eine andere meiner Freundinnen an. Ich werde es Gisi nie vergessen, dass sie noch nachts um eins zu mir eilte, weil ich ihr am Telefon mitgeteilt hatte, dass ich den Schmerz nicht mehr aushielte. Ich hätte jede Tablette geschluckt, wäre bis ans Ende der Welt gepilgert und sogar wieder in die Kirche eingetreten, nur damit dieser schmerzhafte Trennungsteufel nicht mehr an mir nagte. Nachdem eine komplette Blondierung meiner dunkelbraunen Haare und unsägliche Mengen von Johanniskrautkapseln meine Symptome nicht milderten, ging ich zu Pawel. Damals war er mein Rettungsanker. Nach einem 24-Stunden-Psychogespräch, begleitet von Heulkrämpfen, Figurenmalen und erwachsenen und kindlichen »Ichs«, entließ er mich. Mir schwirrte der Kopf. »Du darrrfst keine Errrwarrtungs-Chaltung haben!«, gab er mir eindringlich und mit russischem Akzent auf den Weg. »Entwederrr man passt zusammen oderr nicht. Dann musst du dich trrrennen!«
Ich bemühte mich fortan, nicht mehr an Männern herumzuzerren oder sie verändern zu wollen. Manchmal gelang es besser, manchmal schlechter, meistens gar nicht. Wie sehr mir Pawel geholfen hatte, wusste meine Schwester natürlich, trotzdem hatte sie psychologische Hilfe immer abgelehnt. Bis heute.
»Weißt du, Tati, ich glaube jetzt, wo mein Körper quasi kollabiert, kann ich mir selber wirklich nicht mehr helfen. Ich bin auch zu müde und zu schwach. Nachdem ich bei mehreren Therapeuten war, hatte ich bei dem letzten Glück. Und das Schönste daran ist, ich kann den Psychologen sogar leiden!«
»Das freut mich für dich. Du klingst auch optimistisch, das ist gut!«
Natürlich konnte ich Alexandra in dieser Situation nicht auch noch mit Carstens Krankheit belasten. Darum legte ich ohne einen Hinweis auf meine Probleme den Hörer auf und hoffte, dass die regelmäßigen Besuche meiner Schwester bei ihrem Seelenklempner hilfreich sein würden. Von meiner Männerhasser-Freundin Anka weiß ich, dass nicht alle Therapien wirklich zum erhofften Ziel führen. Vor ungefähr einem Jahr hatte sie mich aufgeregt angerufen.
»Stell dir mal vor, Tati, mein Mann hat mich betrogen.«
Ich kam gar nicht dazu, sie mit anteilnehmender Empörung zu trösten. Sie sprach ohne Luft zu holen weiter und berichtete, dass sie mit ihrem Mann nach seinem Geständnis zur Eheberatung gegangen sei. Dass ihr Gatte nach zwei Sitzungen keinen Sinn mehr in der Therapie gesehen hatte, war für Anka damals noch kein Problem.
»Ich suche jetzt ohne ihn, aber mit professioneller Hilfe, nach Erklärungen für seine Depressionen, weißt du? Da gibt es Gründe in seiner Kindheit und in meiner auch.«
Mir kam das alles sehr bekannt vor. Nachdem ich damals Hals über Kopf mit Flo zusammengezogen war, wurde mein Spätverlobter irgendwie ulkig. Er erschien mir plötzlich unkommunikativ und ignorant. Nicht im bösartigen Sinn, sondern so, als könnte ich, wenn ich mich nur anstrengen würde, bei ihm einen Schalter umlegen, ihn »reparieren« und auf diese Weise in eine aufmerksame Plaudertasche verwandeln. Da mir weder Monologe zum Thema Liebe und Sex noch hysterische Anfälle inklusive zerbrochenen Geschirrs den Weg zu Flos Schalter wiesen, wollte ich den Ursachen auf den Grund gehen.
Als Erstes rief ich Ronny an und fragte ihn von Frau zu Mann um Rat.
»Weißt du, Ronny, vielleicht hatte Flo ja eine schwere Kindheit und ist deshalb so ignorant«, sagte ich eingedenk der Freudschen
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