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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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viel früher ziehen müssen. Als ich aufstehen hätte müssen, um meine Stimme zu erheben, war ich stets in meinem bequemen Fernsehsessel sitzen geblieben und hatte geschwiegen.«
»Wie die meisten anderen auch«, sagte Frank. »Was war die Ursache für Ihren Gesinnungswandel vor fünf Jahren?«
»Die Gestapo begann sich plötzlich für meine Arbeit zu interessieren. Zwei Männer waren nach einer meiner Vorlesungen auf mich zugekommen und hatten mich nach hinten in mein Campus-Büro begleitet. Sie schlossen die Tür hinter uns und stellten mir etliche Fragen, meine Forschungen betreffend. Zunächst stellten sie sich äußerst naiv: Ich musste ihnen einige physikalische Zusammenhänge erklären und erläutern. Im Laufe des Gesprächs wurde mir zunehmend klar, dass sie weitaus mehr Fachwissen hatten, als sie mir offenbaren wollten. Schließlich verlangten sie von mir, ihnen vollständigen Zugang zu meinen Daten und Forschungsinhalten zu gewähren und ich bemerkte, dass sie informierter über meine Forschung waren, als sie es hätten sein können. Sie hatten sich Zugang zu den Universitätsdatenbanken verschafft, darüber gab es für mich keinen Zweifel mehr. Ich war, wie bereits gesagt, immer ein Mann der Forschung. Wie die Ergebnisse meiner Arbeit verwendet werden könnten, darüber hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Damit war ich leider in bester Gesellschaft mit vielen Wissenschaftlern vor mir, stellvertretend sei hier nur Herr Oppenheimer genannt. Die Geister, die ich gerufen hatte, waren nun meine ständigen Wegbegleiter. Sie schwirrten fortan um meine Rechnerkonsole und um meine Versuchsaufbauten. Ich wurde sie nicht mehr los, diese Geister, die synonym waren zu meinen Befürchtungen und Selbstvorwürfen. Sie sehen mich fragend an, Herr Miller! Meine Ängste werden Ihnen klar werden, wenn Sie erst den Inhalt meiner Forschungen kennen. Doch dazu später.«
Er trank einen Schluck Wasser. »Die zwei Männer von der Gestapo waren nun fast täglich bei mir. Sie fragten mich etwas über diesen Algorithmus, den sie in einer Datenbank entdeckt hatten oder wollten etwas über jenen Versuch wissen, den ich gerade durchführte. Dazwischen immer wieder Fangfragen, um meine Verbundenheit zu Führer, Partei und Vaterland auf die Probe zu stellen. Da ich – unpolitisch wie ich eben war – nichts zu verbergen hatte, waren meine Antworten wohl halbwegs zu ihrer Zufriedenheit. Die Gestapo hatte sehr wohl die richtigen Leute für diese Aufgabe ausgewählt, sie verfügten über einen überdurchschnittlichen Sachverstand. Dennoch fehlte ihnen das entsprechende Detailwissen. Heute glaube ich, sie hätten meine Forschung an meiner Stelle weiter geführt, wenn sie die Hoffnung gehabt hätten, sie selbst zu Ende bringen zu können. So begnügten sie sich damit, sämtliche Daten zu kopieren und an die Universität in Germania zu transferieren. Dort wird seitdem im gleichen Gebiet geforscht und ich bekam die Anweisung, mich permanent mit meinen dortigen Kollegen über Neuigkeiten auszutauschen. Wie ich sehr bald festgestellt hatte, waren sie dort nicht in der Lage meine Forschungen in der gleichen Geschwindigkeit fortzuführen wie ich. Ich hatte sie zwar wie befohlen über meine Erkenntnisse auf dem Laufenden gehalten, aber ihnen stets nur so viel an Daten weitergeleitet, wie ich für richtig hielt. Dass auch meine Rechner bei ungewünschten Fremdzugriffen nicht mehr als von mir gewünscht freigeben, habe ich nicht zuletzt Herrn Hartwig zu verdanken. Ich glaube, ohne ihn wäre ich schon längst aufgeflogen und meine Arbeit würden nun Parteisoldaten in Germania zu Ende bringen.«
Tristan freute sich sichtlich über die anerkennenden Worte Gothaers.
»Vier Jahre bei der Wehrmacht«, sagte Frank, »bringen einem auch bei, sich in Geduld zu üben, Herr Gothaer. Aber so gespannt wie jetzt, war ich lange nicht mehr. Ich brenne darauf, endlich mehr über ihre mysteriöse Forschungsarbeit zu erfahren.«
»Erst ist Dieter dran«, bremste ihn Karen.
»Wie beim größten Teil der Bevölkerung, begann die politische Früherziehung auch bei mir im Kindergarten«, erzählte Dieter nun seine Lebensgeschichte. »Danach ging es in die Hitlerjugend, in der ich sehr gerne war. Voller Stolz trug ich Uniform und Abzeichen. Ich verstand mich als wichtigen Bestandteil des Volkskörpers und meine Eltern bestärkten mich darin. Sie waren beide selbst innerhalb der Parteistrukturen zu hohen Ämtern gelangt und hatten es als richtig und wichtig erkannt, ihren

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