Alles bleibt anders (German Edition)
Menschen.'«
»Ein weiser Satz.«
»Und ich selbst füge heute noch ein drittes Ding hinzu: die Anzahl alternativer Welten.«
Frank konnte und wollte es immer noch nicht glauben.
»Sie haben tatsächlich den wissenschaftlichen Beweis für die Existenz paralleler Welten?«
»Ja!«, sagte Karen.
Mit einem Schlag wurde Frank bewusst, was das bedeutete, sollte es wirklich der Wahrheit entsprechen. So etwas Banales wie eine Wetterprognose, war da die harmloseste Fantasie, die Frank im Kopf herumschwirrte.
»Erzählen Sie mir mehr!«
»Wir Menschen«, dozierte Gothaer, »haben nur eine begrenzte sinnliche Wahrnehmung. Ähnlich wie mit der Zeit, die wir nicht wahrnehmen, sondern nur schätzen oder messen können, verhält es sich mit den parallelen nichtlinearen Systemen. Am anschaulichsten wird es, wenn ich auf unsere anfängliche hypothetische Versuchsanordnung zurückkomme. Es scheint so, als unternähme irgendjemand oder irgendetwas just in diesem Augenblick exakt diesen Versuch; seit Menschengedenken und auch vorher; bis zurück zum Urknall und möglicherweise auch darüber hinaus.«
»G-gott«, beantwortete Tristan die nicht laut formulierte Frage.
»Die Natur«, widersprach Karen.
»Diesen Versuch, mit sich chaotisch verhaltenden Systemen«, redete Gothaer weiter. »Vor über fünf Jahren, ich sagte es bereits, maß ich eine dieser parallelen Welten an. Die wissenschaftlichen Details erläutere ich Ihnen gerne später, doch glauben Sie mir, sie füllen Bücher und würden daher den Rahmen des heutigen Abends sprengen. Es gelang mir jedenfalls, ein anderes Universum zu entdecken, das eine minimale Realitätsabweichung zu unserem eigenen aufwies.«
»Eine minimale Realitätsabweichung? Ich verstehe nicht.«
»Nicht nur das parallele Universum war nachweisbar, sondern auch der Grad der Abweichung, sozusagen die Entfernung zu unserem eigenen.«
»Wie zwei Geraden, die parallel verlaufen«, erläuterte Dieter nun. »Sie verlaufen im übertragenen Sinne nicht in einem Abstand von tausend Kilometern, sondern berühren sich fast.«
»Danke, Herr Wiegand«, sagte Gothaer, »diese minimale Realitätsabweichung mochte bedeuten, dass sich das angemessene parallele Universum so gut wie in allen Bereichen mit unserem eigenen deckte. Es unterschied sich nur in einem winzigen Punkt; beispielsweise könnte mein Schreibtisch hier einen Kratzer haben, dort eben nicht; beispielsweise könnte eine Seerose in einem Teich hier eine geöffnete Blüte haben und dort eine geschlossene; beispielsweise könnte ein Delfin im Mittelmeer hier einen Freudensprung im Sonnenschein machen, dort eben keinen. Einen größeren Unterschied, eine bedeutsamere Abweichung konnte es nicht geben, das bewies mir mein Untersuchungsergebnis.«
Frank schwirrte bereits der Kopf, doch Gothaer, voller Elan und Enthusiasmus, nahm darauf keine Rücksicht.
»So viel Zeit, mir über die Art der Realitätsabweichung Gedanken zu machen, blieb mir seinerzeit nicht, denn unmittelbar nach meinem ersten Messergebnis hatte ich fünfzehn weitere und gleich darauf, ich hatte nicht mal die Zeit mir die Augen zu reiben, blinkte dort die Zahl '348' auf dem Monitor. Das war gleichzeitig die letzte Ziffernfolge, die das menschliche Auge aufgrund seiner Trägheit erkennen konnte. Die Anzahl erhöhte sich mit einer Geschwindigkeit, die die Einerstelle, die Zehner-, Hunderter- und Tausenderstelle nicht mehr als Einzelziffer erkennbar darstellen ließ. Dann war die Zehntausenderstelle da: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9. Ich hatte mittlerweile einhunderttausend parallele Universen angemessen, obwohl seit der Entdeckung des allerersten keine Minute vergangen war. Und in jeder dieser einhunderttausend alternativen Realitäten stand wohl in jenem Augenblick ein mitfiebernder Professor Gothaer vor dem Monitor, das Ergebnis seiner Forschungsarbeit beobachtend. Vielleicht hat er auch in dem einen oder anderen Universum vor Freude einen Herzinfarkt erlitten.«
Gothaer lehnte sich zurück und ließ seine Worte wirken.
»Wie verhielt sich der Grad der Realitätsabweichung?«, wollte Frank wissen.
»Ich bin angenehm überrascht, Herr Miller, dass Sie trotz Ihrer deutlich erkennbaren Aufgeregtheit, diese doch so wissenschaftliche Frage stellen. Ich will Sie Ihnen gerne beantworten: Der maximale Grad der Abweichung wuchs linear zum Anstieg der Universen-Anzahl.«
»Um beim Beispiel mit der Seerose zu bleiben«, erklärte Karen, »plötzlich gab es vier Alternativen: eine Seerose mit geöffneter Blüte;
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