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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Stadler in einer Sommernacht in einer eindeutigen Situation im Lustenauer Ried erwischte, Autosex mit einer Politikergattin, dem Kollegen Hiebeler von Zeitungsfotos bekannt. Die Frau war älter als Stadler. Dann gab es eine Geschichte mit einer viel jüngeren Dame, Zweitplazierte einer zurückliegenden Miss-Vorarlberg-Wahl. Also in die andere Richtung, altersmäßig nach unten. Genügte das als Nachweis gelebten Schürzenjägertums?
    Als Nathanael Weiß seiner geschiedenen Frau in der Konditorei Danner gegenübersaß, musste er sich eingestehen, dass diese Hinweise einen Neutralen nicht davon überzeugt hätten, dass Adele Opfer eines Verführers geworden sei. Dazu war die Suppe zu dünn.
    Aber jetzt, an diesem sonnigen Frühsommervormittag, erhielt er den Beweis, den endgültigen, unumstößlichen Beweis jener Tatsache, die ihm, Nathanael Weiß, von Anfang an klar gewesen war.
    »Er betrügt mich.« So hatte sie ihre leise und immer leiser werdende Suada begonnen. »Stadler betrügt mich.« Damit war ja klar und am Tage, dass es sich bei besagtem Stadler um einen notorischen Schürzenjäger handelte – und Adele sich als hilfloses Opfer in dessen Ränken verfangen hatte. Oder so ähnlich … Er wollte sich die Einzelheiten nicht vorstellen, wusste aber aus seiner Polizeiarbeit, dass manche Männer imstande sind, eine geradezu animalische Anziehungskraft auf Frauen auszuüben, die ganze Zuhälterei existiert aus diesem Umstand, die Hochstapelei, der Heiratsschwindel; eine Anziehungskraft, die man weder lernen noch lehren und auchnicht üben konnte. Wenige Frauen vermögen sich dieser Anziehung zu widersetzen, und es gab, wie ebenfalls die Berufserfahrung bewies, keine persönliche Eigenschaft, die eine Frau zum bevorzugten Ziel eines solchen Menschen machte; keine Alters-, Bildungs-, Vermögenskriterien; davor schützten keine hohe Intelligenz (auch keine niedrige) und kein Charakterzug. Es regierte der blanke Zufall, ergo dessen war dem Opfer der Verführung auch kein Anteil am Geschehen zu unterstellen – und keine Schuld. Nathanael Weiß war also aus einem rein externen Grund (übermächtiger fremder Einfluss) verlassen worden. Und seine Frau nicht zurechnungsfähig gewesen. Nicht im formaljuristischen, aber im lebenspraktischen Sinn.
    So war er entlastet von Selbstvorwürfen und Selbstzweifeln; so war sie entlastet vom Verdacht, eine kaltherzige Schlampe zu sein … Während diese Gedankengänge seine Seele erquickten wie warmer Regen ein vertrocknetes Feld, hatte er allerdings den Faden in ihrer doch recht leise vorgetragenen Erzählung verloren. Das machte aber gar nichts, weil sich Dramen der Art, wie ihm hier eines erzählt oder, besser, zugeflüstert wurde, nach einem Skript von ermüdender Vorhersagbarkeit entwickelten. Er kannte den Ablauf aus Verhören, die bei sogenannten Beziehungstaten geführt wurden, der Ablauf war immer gleich. Er hatte nun auch keine Mühe, an der richtigen Stelle einzusteigen, als sie sagte: »… und dann hab ich dort angerufen, da meldet sich eine Frauenstimme, was heißt Frau, die war höchstens zwanzig, aber allerhöchstens, und dann …«
    Das Mobiltelefon hatte mit seinen Möglichkeiten viel dazu beigetragen, die vorgeformten Abläufe der Tragödien zu beschleunigen. Es kam heute alles viel früher raus. Vergessene Rufnummernunterdrückung, falsch versendete SMS.
    In diesem Fall handelte es sich also um irgendeine Claudia, eine Sachbearbeiterin aus seinem Büro, natürlich jung, sexuell aggressiv (nach Adeles Beschreibungen), also keine jugendlich Naive, die darauf hoffte, die neue Frau Stadler zu werden. Adele hatte einen Detektiv beauftragt, der dann auch prompt die fotografischen Beweise lieferte. An dieser Stelle der Schilderung unterbrach sich Adele selbst und holte die Beweise aus der Handtasche. Sie reichte ihm den Packen Fotos über die Kaffeetassen hinweg.
    Ach so.
    Das passierte ihm manchmal. Einzelheiten eines Falles wiesen auf Zusammenhänge in einem ganz anderen Fall; es war nie ein Beweis, immer nur ein Hinweis, eine leichte Änderung des Blickwinkels. Das genügte. Er dachte darüber nach. Früher oder später wären ihm bei seiner Routinearbeit solche Fotos auf den Schreibtisch gekommen. In einem halben Jahr oder erst in zwei Jahren. Dann aber, da war er sich sicher, hätte der Auslösereiz genauso gewirkt. Die Fotos waren sehr eindeutig, Profiarbeit, alle grün. Restlichtverstärker mit Infrarotlampe. Sicher würde Stadler, wenn er von der Existenz dieser

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