Alles Glück kommt nie
Modebranche. Schnitte, Stoffe, Schnittmuster,Versäuberungstechniken, er war schon immer der Meinunggewesen, dass Architekten und Schneider eine sehr ähnliche Arbeit verrichteten, und beobachtete, wie die Arabesken es anstellten, den Ärmelausschnitt einzufassen, ohne den Faden ihrer Spiralen aus dem Auge zu verlieren.
Sie spürte seinen Blick. Schnitt eine Grimasse: »Ich weiß, ich hätte es nicht anziehen dürfen. Ich habe sehr zugenommen, seit –«
»Auf keinen Fall!«, protestierte er, »auf keinen Fall. Ich habe mir nur Ihre –«
»Meine was?«, fragte sie wie auf glühenden Kohlen. »Ihre – Ihre Motive angeschaut.«
»Meine Motive? My God , wollen Sie etwa sagen, dass Sie sie schon kennen?«
Charles senkte den Kopf und lächelte. Eine Frau, die eine Kettensäge auseinandernehmen konnte, die, als sie sich vorbeugte, einen blassrosa Büstenhalter erkennen ließ und es verstand, mit zwei Sprachen zu spielen, da brauchte man sich nicht einmal eine Startnummer zu besorgen ...
Er spürte – Hilfe –, wie sie ihn ihrerseits musterte.
»Haben Sie unter einem Regenbogen geschlafen?«
»Ja. Mit Judy Garland.«
Was für ein hübsches Lächeln.
»Sehen Sie, das ist es, was mir hier am meisten fehlt«, seufzte sie.
»Musicals?«
»Nein, diese Art Schlagfertigkeit. Denn ...«, fügte sie ernst hinzu, »das genau ist Einsamkeit. Nicht der Einbruch der Dunkelheit um fünf, Tiere, die gefüttert werden wollen, und Kinder, die sich den ganzen Tag zanken, sondern – Judy Garland...«
»Well, to tell you the truth, I feel more like the Tin Man right now...«
»I knew you must speak English.«
»Leider nicht gut genug, to catch your – motives .«
Erneutes Lächeln: »Umso besser.«
»Und Sie?«, fragte er, »welches ist nun Ihre Muttersprache?«
»Muttersprache? Französisch, meine Mutter kommt aus Nantes. Native? English. On my father’s side. «
»Und wo sind Sie aufgewachsen?«
Er hörte ihre Antwort nicht mehr, denn Super-DJ war an sein Schaltpult zurückgekehrt: »Herzlich willkommen noch einmal alle miteinander, ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Die Aufführung wird in Kürze beginnen. O ja, o ja. Die Kinder sind schon fürchterlich nervös. Ich darf noch mal daran erinnern, dass für unsere große Tombola noch Lose zu haben sind. Dieses Jahr winken Traum-ge-win-ne!
Erster Preis, ein romantisches Wochenende zu zweit in einer Drei-Ähren-Ferienwohnung am Lac de Charmièges mit – halten Sie sich fest – Tretboot, Bouleplatz und Riesen-Karaoke-Soundmachine!
Zweiter Preis, ein DVD-Player von Toshiba, eine großzügige Spende der Firma Frémouille, die wir bei der Gelegenheit gern begrüßen wollen, Frémouille, rund um die Uhr für Sie im Einsatz. Nicht zu vergessen ...«
Charles hatte seinen Zeigefinger auf den obersten Steri-Strip gelegt. Hatte das Gefühl, dass er bald die Fliege machen würde, wenn der Typ weiter so albernes Zeug von sich gab.
»... nicht zu vergessen die zahlreichen Filets mit Beilagen aus dem Hause Graton & Sohn, 3, Rue du Lavoir in Saint-Gobertin, Fleisch- und Wurstwaren, Haxenspezialitäten und Blutwürste, Hochzeiten, Trauer- und Kommunionsfeiern, sowie dutzendweise Trostpreise, schließlich hat nicht jeder das Glück an seiner Seite, stimmt’s, Jean-Pierre? Ha! Ha! Und los geht’s. Bühne frei für die Artisten, und ich bitte Sie um einen riesigen Applaus. Lauter, da ist noch mehr drin! Jacqueline, Sie werden am Empfang erwartet. Ich wünsche allen einen schönen T...« Würg zum Zweiten.
Jean-Pierre hatte keinerlei Humor.
Alexis, begleitet von einer Klassenbesten mit Schleifchen und Klarinette, nahm weit hinten Platz, während die Lehrerinnen die ganz Kleinen, die als Fische verkleidet waren, zwischen Wellen aus Pappe anordneten. Sie tanzten zur Musik, und die Kleinen erlitten Schiffbruch. Waren viel zu sehr damit beschäftigt, ihren Mamas zuzuwinken, um dem Strom folgen zu können ...
Charles warf einen Blick auf die Schenk..., pardon, auf das Programm, das Kate auf dem Schoß hatte:
Flüche der Karibik.
Na gut.
Auch fiel ihm auf, dass sie keine großen Töne mehr spuckte und dass ihre Augen zu sehr glänzten, um aufrichtig zu sein, daraufhin sah er hinauf zur Bühne, um zu sehen, welche dieser kleinen Sardinen sie wohl in diesen Zustand versetzte.
»Ist einer von Ihren Kleinen dabei?«
»Nicht mal«, sie unterdrückte ein Lachen, »aber ich bin von diesen Low-Budget-Aufführungen trotzdem jedes Mal total gerührt. Doof,
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