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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Das verspreche ich Ihnen. Erzählen Sie mir jetzt von Yacine und Nedra.«
    »Warum interessieren Sie sich so für uns hier?«
     
    Was sollte er darauf antworten?
    Damit ich Sie so lange wie möglich anschauen kann. Weil Sie die leuchtende Seite derjenigen sind, die mich hierhergeführt hat. Weil Anouk auf ihre Weise zu dem geworden wäre, was Sie sind, wenn sie eine andere Kindheit gehabt hätte.
    »Weil ich Architekt bin«, antwortete er.
    »Was hat das damit zu tun?«
    »Ich interessiere mich dafür, warum Gebäude halten und nicht einstürzen.«
    »So? Und wir? Was sind wir Ihrer Meinung nach? A zoo? Some kind of boarding house or – a hippy camp? «
    »Nein. Sie sind ... Ich weiß es noch nicht. Ich suche noch. Ich sage es Ihnen dann. Los geht’s, ich warte auf Yacine.«
    Kate dehnte ihren Nacken. Sie war müde.
     
    »Ein paar Wochen später bekam ich einen Anruf von der Netten, der meine Normen gefallen hatten. Sie hat mir noch einmal gesagt, wie leid es ihr täte, hat auf die Behörden und ihre bescheuerten Regeln geschimpft, da habe ich sie unterbrochen. Kein Problem. Ich hätte mich damit abgefunden.
    In dem Zusammenhang wollte sie mir gern noch Folgendes sagen: Sie hätte da einen kleinen Jungen, der einmal Ferien gebrauchen könnte. Er wohnte bei einer Tante, aber es lief überhaupt nicht gut. Ob wir vielleicht auf den Segen von oben verzichten könnten? Es wäre eine Sache von wenigen Tagen. Damit er mal was anderes sah. Sie hätte sich nicht so an den Richtlinien ›vorbeigemogelt‹, wenn es ein anderes Kind wäre, aber der Junge hier, Sie werden sehen, war wirklich etwas Besonderes. Lachend hatte sie hinzugefügt: Ich bin der Meinung, er hätte es verdient, Ihre Mäuse zu sehen!
    Ich glaube, es ging um die Osterferien. Eines Morgens hat sie ihn regelrecht ›hereingeschmuggelt‹, und ... Sie kennen ihn ja. Wir haben ihn sofort ins Herz geschlossen.
    Er war einfach unwiderstehlich, stellte jede Menge Fragen, interessierte sich für alles, erwies uns alle möglichen Gefälligkeiten,hatte sein Herz an Hideous verloren, stand sehr früh auf, um René im Gemüsegarten zu helfen, kannte die Bedeutung meines Namens und erzählte meinen kleinen Hinterwäldlern, die nie mehr aus dem Dorf herausgekommen waren, abenteuerliche Geschichten.
    Als sie kam, um ihn wieder abzuholen, war es – ganz schlimm.
    Er schluchzte und vergoss heiße Tränen. Ich weiß noch, dass ich ihn an der Hand genommen habe und mit ihm auf die andere Seite des Hofs gegangen bin. Dort habe ich zu ihm gesagt: ›In ein paar Wochen beginnen die großen Ferien, dann kannst du zwei Monate bei uns bleiben.‹ Aber er, schluchzte er laut, wolle gern für immer blei-hei-heiben. Ich habe versprochen, ihm oft zu schreiben. Dann also ja, wenn ich ihm versprechen würde, dass ich ihn nicht vergesse, dann wäre er einverstanden. Dann würde er zu Nathalie ins Auto steigen.
    Während er lange mit seinem Lieblingshund schmuste und bevor sie die Autotür zuschlug, vertraute mir die kleine Sozialarbeiterin, deren Herz noch sozial arbeitete, an, dass sein Vater seine Mutter vor seinen Augen zu Tode geprügelt hatte.
    Ich bin aus allen Wolken gefallen. Das würde mich lehren, die große Wohltäterin zu spielen. Ich wollte ein Ferienlager gründen und mir nicht noch ein weiteres Päckchen Scheiße aufhalsen.
    Aber dafür war es jetzt zu spät. Yacine war weg, die Bilder waren es nicht. Nicht das Bild eines Mannes, der die Mutter seiner Kinder in einer Ecke des Wohnzimmers zusammenschlug. Und ich dachte, ich wäre kampferprobt. Fehlanzeige. Das Leben hält immer wieder Überraschungen für uns bereit.
    Ich habe ihm also geschrieben. Wir alle haben ihm geschrieben. Ich habe jede Menge Fotos von den Hunden, den Hühnern und von René gemacht und in jeden Brief ein oder zwei davon gesteckt. Ende Juni kam er wieder.
    Der Sommer verging. Meine Eltern kamen. Er hat meineMutter sofort für sich eingenommen und sprach ihr alle lateinischen Blumennamen nach, bat dann meinen Vater, sie für ihn zu übersetzen. Mein Vater, der lesend unter der großen Robinie saß, deklamierte: Tytire, tu patulae recubans sub tegmine fagi und brachte ihm bei, den Namen der schönen Amaryllis zu singen ...
    Ich war die Einzige, die seine Geschichte kannte, und ich war entzückt darüber, dass ein kleiner Junge, der schon so viel erlebt hatte, ein derart beschwichtigendes Element sein konnte.
    Die Kinder machten sich ständig über ihn lustig, weil er sehr ängstlich war, aber er

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