Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
die dort herauskamen. Zu Beginn seiner nice parties wurde die Tür geöffnet, und man sperrte einen Sklaven darin ein. Wenn er anfing, sich ein wenig zu langweilen, wurde einem anderen Sklaven befohlen, unter dem Stier ein Feuer anzuzünden, und jetzt kamen alle Gäste lächelnd näher. O ja. Es war tierisch lustig, weil der Stier, tja, der brüllte jetzt.«
    Schluck.
    Totenstille.
    »Ist die Geschichte wahr?«,fragte Yacine.
    »Na klar.«
    Während sich die Kinder entsetzt schüttelten, wandte sie sich an Charles und sagte leise: »Das werde ich ihnen natürlich nicht sagen, aber ich sehe darin eine Metapher für die Menschheit ...«
    Mein Gott. Sie blies heute aber mächtig Trübsal. Irgendetwas musste er tun.
    »Ja, aber ...«,fuhr er laut fort, um ihren Abscheu zu übertönen, »der Typ ist ein paar Jahre später, ich glaube mit achtzehn, auf dem Klo gestorben, und zwar ist er an dem Schwamm erstickt, mit dem er sich den Hintern abgewischt hatte.«
    »Stimmt das?«,fragte Kate verwundert.
    »Na klar.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Das hat Montaigne mir erzählt.«
    Sie zog an ihrer Decke und kniff die Augen zusammen: »Sie sind genial.«
    »Na klar.«
     
    Blieb es nicht lange. Seine Geschichte nämlich, dass man immer Gebeine fand, wenn man eine neue Baustelle in Angriff nahm, und man es niemandem erzählen durfte, weil die Untersuchungen sonst den Beton vertrocknen lassen würden, der schon fertig angemischt war, und viel Geld verlorenginge, ließ niemanden erzittern.
    Ein totaler Flop.
     
    Samuel hingegen erinnerte sich an die einzige Französischstunde, in der er nicht geschlafen hatte: »Da war so ein junger Typ, ein Bauer, der sich weigert, sich als Frischfleisch in der Armee von Napoleon verfüttern zu lassen. Das, was man Blutzoll nennt. Fünf Jahre lang ging das. Man wusste genau, dass man dort elendig krepieren würde, aber wenn man genug Kohle hatte, konnte man jemanden bezahlen, der für einen krepierte.
    Er hat aber keinen Cent, also desertiert er.
    Der Präfekt lässt seinen Vater kommen, schikaniert ihn, demütigt ihn, aber der arme Kerl weiß wirklich nicht, wo sein Sohn ist. Etwas später findet er ihn verhungert im Wald, zwischen den Zähnen hat er noch das Gras, das er versucht hat zu essen. Daraufhin nimmt der Alte den Jungen auf die Schulter und trägt ihn, ohne jemandem etwas davon zu erzählen, zwölf Kilometer bis zur Präfektur.
    Der Präfekt, dieser Blödmann, war aber auf einem Ball. Als er zurückkommt, so um zwei Uhr nachts rum, findet er den armen Bauern vor seiner Tür:›Sie wollten ihn haben, Herr Präfekt, also, da isser.‹ Dann legt er die Leiche vor der Wand ab und verzieht sich.«
    Das Ganze war insgesamt noch etwas dramatischer gewesen. Sam war sich nicht mehr ganz sicher, meinte aber, dass es eine Geschichte von diesem komischen Balzac da war ...
     
    Die Mädchen kannten keine Geschichten, und Clapton zog es vor, die Stimmung zu halten. Gling, gling. Gab sehr makabre Stakkatos von sich.
    Yacine machte sich ans Erzählen: »Okay, ich sag’s gleich, meine Geschichte ist ganz kurz.«
    »Geht es wieder um die Tötung der Nacktschnecken?«,fragten die anderen besorgt.
    »Nein, es geht um die Herren von der Freigrafschaft Burgund und dem Oberelsass. Die Grafen von Montjoie und die Herren von Méchez, wenn euch das lieber ist.«
    Gemurre unter den Cowboys. Wenn das so ein intellektueller Kram war, dann danke.
    Der arme Erzähler, in seinem Schwung ge bremst, wusste nicht, ob er weiterreden sollte.
    »Mach schon«, zischte Hattie, »servier uns den Ritterschlag und die Salzsteuer. Das lieben wir.«
    »Um die Salzsteuer geht es grad nicht, sondern um etwas, das man das ›Behaglichkeitsrecht‹ nannte.«
    »Au jaaaaa. Das Recht, zwischen zwei Zinnen Hängematten aufzuhängen?«
    »Überhaupt nicht«, er war geknickt, »was seid ihr dumm. Während der harten Winterabende hatten die Herren – ich zitiere – ›das Recht, zwei Leibeigene auszuwählen und ihnen den Bauch aufzuschlitzen, um sich in ihren dampfenden Eingeweiden die Füße zu wärmen‹, kraft des, wie ich schon sagte, berühmten Behaglichkeitsrechts. Das war’s schon.«
    Und es war alles andere als ein Flop. Jede Menge »igittigitt« und »neee?« und »bist du sicher?« und »wie eklig« wärmten ihm im gleichen Maße das Herz.
     
    »Gut, okay«, verkündete Kate, »das werden wir heute Abend nicht mehr toppen. Time to go to bed. «
     
    Alle fingen schon an, sich über ihre Reißverschlüsse aufzuregen, als

Weitere Kostenlose Bücher