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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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siegte.
    »Es könnte ihn ablenken, verstehst du ...«
    Alle verdrehten die Augen. Stimmt ja, dieser Sturkopf bockte schon vor einem schiefen Grashälmchen oder beim geringsten Mückenfurz.
    Das Siegerpodest war ihm noch lange nicht sicher.
     
    Jetzt sitzen alle im Schneidersitz ums Feuer und grillen: der eine Würstchen, der andere Marshmallows, die einen Camembert, die anderen Brot, und ihr Lachen und ihre Geschichten vermischen sich mit diesen – gegensätzlichen Aromen. Die ganze Sippe ist mitgekommen. Bob Dylan übt seine Tonleitern, die großen Mädchen lesen den kleinen aus der Hand, Yacine erklärt Charles, dass diese Spinnwebe dort über dem Boden geschaffen wurde, um hüpfende Insekten einzufangen, wie zum Beispiel Heuschrecken, während die hier oben, siehst du, die da, die ist für die fliegenden gedacht. Lo gisch, oder? Logisch. Und Charles ist zu seiner Kameradin super-friendly. Nachdem er ihr ein Sandwich gezaubert hatte, zog er los, um einen Strohballen zu ergattern, den sie als Rückenstütze verwenden konnte.
    Sigh ...
    Kate, die seit der Ankunft ihrer Mutter ziemlich nervös war ... »Feiern wir heute Abend hier, um vor ihr zu flüchten?«,fragte er sie.
    »Vielleicht. Bescheuert, was? In meinem Alter noch so empfänglich für die Launen einer alten mummy zu sein. Sie erinnert mich eben an eine andere Zeit. Eine Zeit, in der ich noch die Jüngste und Unbekümmertste war. Ich blase gerade Trübsal, Charles. Ellen fehlt mir. Warum ist sie heute Abend nicht hier? Ich stelle mir vor, dass man Kinder in die Welt setzt, um solche Momente zu erleben, oder?«
    »Sie ist hier, schließlich reden wir über sie«,flüsterte er.
    »Und warum haben Sie nie welche bekommen?«
    »...«
    »Kinder.«
    »Weil ich ihrer Mama nicht begegnet bin, nehme ich an.«
    »Wann fahren Sie wieder?«
    Auf diese Frage war er überhaupt nicht gefasst. »Wort« »Wort« »Wörter«, rotierten seine Gehirnzellen.
    »Wenn Sam gewonnen hat.«
    Well done, mein lieber Held. Nach diesem Lächeln hatte er weit suchen müssen.
     
    *
     
    Es war fast elf Uhr, sie hatten sich in ihre Decken gewickelt, wachten »wie Cowboys« über die Glut und versuchten, die Wiegenlieder der Nacht zu bestimmen. Was war das für ein Schrei? Was für ein Quietschen? Was für ein Scharren? Welcher Vogel? Welches Tierchen? Und was hatte dieses I-A in der Ferne zu sagen?
    »Nur Mut, Kameraden! In ein paar Stunden brauchen wir diese doofen Zweibeiner nicht mehr zu unterhalten!«
    Und dann eine zittrige Stimme, von Léo vielleicht: »Wisst ihr, was? Jetzt ist die Zeit für Horrorgeschichten gekommen.«
    Ein paar schrille Schreie ermunterten ihn. Er erzählte eine echt krasse Geschichte über Eingeweide und Hämoglobin, die von grausamen Marsmenschen und genmanipulierten Hummeln handelte. Na ja. Das würde sie nicht vom Schlafen abhalten.
     
    Kate legte die Latte ziemlich hoch: »Elagabal? Sagt euch das was?« Nur die Flammen knisterten.
    »Unter den römischen Kaisern gab es viele Gestörte, aber er stellte wohl alles in den Schatten. Zum einen war er schon mit vierzehn an die Macht gekommen und fuhr in einem Streitwagen, der von nackten Frauen gezogen wurde, in Rom ein. Es ging also gleich heftig los. Er war verrückt. Total verrückt. Es heißt, dass er alle Speisen mit gemahlenem Edelsteinpulver bestreut hat, dass er dem Reis Perlen beigab, dass er die seltsamsten und grausamsten Dinge aß, dass er verrückt war nach einem Ragout aus Nachtigallen- und Papageienzungen und aus Hahnenkämmen, die lebenden Tieren ausgerissen worden waren, dass er seine Zirkusraubtiere mit Gänseleberpastete fütterte, dass er einmal sechshundert Strauße schlachten ließ, um ihre noch warme Hirnmasse zu verspeisen, dass er die Vulva von ich weiß nicht mehr welchem Tier mochte. Gut, ich hör auf. Das alles sind nur Appetithäppchen.«
    Sogar die Flammen hörten auf zu knistern.
    »Die Anekdote, die Léo gern hören würde, geht so: Elagabal war berühmt für seine orgiastischen Festschmäuse, zu denen er einlud. Sie sollten von Mal zu Mal besser werden. Das heißt schlimmer. Er verlangte ständig nach mehr Blutbädern, mehr Schrecken, mehr Vergewaltigungen, mehr Sexorgien, mehr Essen, mehr Alkohol. Er wollte von allem mehr. Das Problem war, dass er sich sehr schnell langweilte. Eines Tages beauftragte er einen Bildhauer, ihm einen Metallstier anzufertigen, der innen hohl war, an der Seite ein Türchen hatte und auf Höhe des Mauls ein Loch, damit man die Töne hören konnte,

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