Alles Glück kommt nie
schloss die Augen.
Erst als er einen Anlauf nahm, um aus seinem Tief herauszukommen und zur Arbeit zu gehen, hörte er den Schlüssel im Schloss.
Sie ging, ohne ihn zu sehen, an ihm vorbei Richtung Badezimmer.
Wusch die Wichse des anderen ab.
Ging ins Schlafzimmer, zog sich an und kam zurück, um sich zu schminken.
Machte die Tür auf.
Da sie bei seinem Anblick keine Anzeichen von Bestürzung zeigte, rechnete er damit, dass sie gereizt war. Sie beherrschte sich jedoch, machte sich einen Kaffee, bevor sie versuchte, ihm die Stirn zu bieten.
Was für eine Kaltblütigkeit, dachte Charles, was für eine verdammte Kaltblütigkeit.
Kam näher, pustete auf ihren Kaffee, setzte sich in den Sessel ihm gegenüber und hielt seinem Blick stand.
»Was soll ich sagen?«, fragte sie und zog unterm Tisch die Beine an sich.
»Nichts.«
»Hast du diesmal an deinen Koffer gedacht?«
»Ja. Danke. Übrigens ...«
Er streckte seinen Arm aus und griff nach der Plastiktüte neben seiner Tasche. »Schau mal, was ich für Mathilde gefunden habe.«
Er setzte sich eine Mütze auf, die mit dem Aufdruck I ♥ Canada und mit großen Elchgeweihen aus künstlichem Fell verziert war.
»Witzig, oder? Ich sollte sie vielleicht behalten.«
»Charles –«
»Sei still«, unterbrach er sie, »ich habe doch gerade gesagt, dass ich keine Lust habe, dir zuzuhören.«
»Es ist nicht, was du ...«
Er stand auf, um seine Tasse in die Küche zu bringen. »Was sind das für Fotos?«
Kam zurück, nahm sie ihr aus der Hand und steckte sie zurück in den Umschlag.
»Setz diese lächerliche Mütze ab«, seufzte sie.
»Was machen wir?«
»Wie bitte?«
»Was machen wir zwei zusammen?«
»Wir machen es wie die anderen. Wir tun, was wir können. Machen weiter.«
»Ohne mich.«
»Ich weiß. Du bist schon seit einiger Zeit nicht mehr dabei.«
»Komm schon«, antwortete er und lächelte sie liebevoll an, »das hier ist dein Auftritt. Vertausch nicht die Rollen, meine liebe Emma Bovary, sag mir lieber, was –«
»Was denn?«
»Ach. Nichts.«
Sie schob kokett eine Hüfte zur Seite und schnippte etwas von ihrem Rock: »Sag mal. Hast du abgenommen?«
Er sammelte seine Sachen zusammen, zog ein anderes Hemd an und machte die Tür hinter diesem schlechten Boulevardstück zu.
»Charles!«
Sie war ihm ins Treppenhaus nachgekommen. »Hör auf. Es war überhaupt nichts. Du weißt genau, dass nichts war.«
»Natürlich. Das ist ja der Grund, warum ich dich frage, was wir noch zusammen machen.«
»Nein, ich rede von letzter Nacht.«
»Ach, ist das wahr?«, sagte er bekümmert, »war es nicht mal gut? Du Arme. Wenn ich daran denke, dass ich für dich eine Flasche Pomerol köpfen wollte. Gib zu, das Leben kann grausam sein.«
Er ging noch ein paar Stufen nach unten, bevor er verkündete: »Warte heute Abend nicht auf mich. Ich muss zu einem Cocktailempfang ins Arsenal und –«
Sie hielt ihn am Jackenärmel zurück. »Hör auf«, flüsterte sie.
Er blieb stehen.
»Hör auf ...«
Dann drehte er sich um. »Mathilde?«
»Was ist mit Mathilde?«
»Du wirst mich hoffentlich nicht davon abhalten, sie zu sehen, oder?«
Große Premiere, endlich las er in ihrem hübschen Gesicht so etwas wie Bestürzung. »Warum sagst du das?«
»Ich habe nicht mehr den Mut, die Scherben wegzuräumen, Laurence. Ich – ich hätte dich gebraucht, glaube ich, und –«
»Aber – wo bist du denn? Wo willst du hin? Was machst du da?«
»Ich bin müde.«
»Das weiß ich. Danke. Das hast du mir schon hundertmal gesagt. Was hat es denn mit dieser Müdigkeit auf sich? Was genau willst du damit sagen?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin auf der Suche.«
»Komm«, flehte sie leise.
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Es ist zu traurig, was aus uns geworden ist. So können wir nicht weitermachen, nur für sie. Das ist nicht ... Erinnere dich. Es war übrigens auch in einem Treppenhaus. Erinnere dich, was du mir am – am ersten Tag gesagt hast.«
»Was habe ich dir denn gesagt?«, fragte sie gereizt.
»›Sie hat etwas Besseres verdient.‹«
Stille.
»Wenn es sie nicht gäbe, wärst du nämlich gegangen. Und schon vor langer Zeit ...«
Er spürte, wie sich ihre Finger um seine Schulter schlossen: »Wer ist diese brünette Frau auf den Fotos? Ist das die Tote, von der du mir letztens erzählt hast? Die Mutter von ich weiß nicht mehr wem? Ist das die Frau, die in unserem Leben seit Wochen dieses heillose Durcheinander anrichtet? Wer ist sie? Was ist los? Eine
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