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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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bei dem der Zähler des anderen die ganze Zeit mitlief, sagte Charles etwas, das er sogleich wieder bereute: »Machen Sie – machen Sie auch Familienrecht?«
    »Um Gottes willen, nein! Warum fragen Sie?«
    »Ach, nichts. Gut, ich muss wieder meiner Verantwortung nachkommen. Ihnen weitere Gelegenheiten verschaffen, mich auszunehmen –«
    »Das habe ich Ihnen schon mal gesagt, Balanda, Verantwortung ist die logische Folge beruflicher Kompetenz.«
    »Hören Sie, mein Lieber. Sie sollten sich fürs nächste Mal einen anderen Spruch ausdenken, diesen Satz kann ich nämlich nicht mehr hören –«
    »Ha! Ha! Ich habe nicht vergessen, dass ich Ihnen noch ein Essen im L’Ambroisie schulde!«
    »Stimmt. Wenn ich nicht schon bald im Kittchen sitze –«
    »Tja, der Republik könnte nichts Besseres passieren, mein Lieber! Als dass ein Mann wie Sie Gelegenheit bekommt, sich für unsere Gefängnisse zu interessieren ...«
    Charles starrte lange auf seine Hand am Hörer.
    Warum hatte er das gefragt?
    Ja, warum? Es war lächerlich. Er hatte überhaupt keine Familie.
     
    *
     
    Ausnahmsweise einmal verließ er nicht als Letzter das Büro und beschloss, zu Fuß zum Pavillon de l’Arsenal zu gehen. Place de la Bastille hörte er seine Nachrichten ab.
    »Wir müssen reden«, sagte die Maschine.
    Reden.
    Was für eine komische Idee.
    Es war weniger das Verstreichen der Jahre, das ihn stutzig machte, als vielmehr diese – Veränderlichkeit .
    Und doch. Vielleicht. Indem er ein paar Verabredungen absagte, weit wegfuhr, erneut am helllichten Tag die Vorhänge eines Hotelzimmers zuzog, in ... Die Phantasien, denen unser Mann auf dem Boulevard Bourdon nachhing, nahm der Architekt in ihm sogleich wieder auseinander: Das Terrain war auf beiden Seiten zu unsicher geworden, und die Zukunft, das musste er endlich einsehen, ließ sich darauf nicht bauen.
    Das Bauwerk hatte elf Jahre gehalten.
    Und der Bauleiter lachte höhnisch, als er es abschritt. Hier konnte man ihm nicht mit seiner zehnjährigen Garantieverpflichtung kommen.
     
    Er kam seinen Pflichten nach, schüttelte die richtigen Hände und erinnerte sich an die richtigen Leute. Gegen elf Uhr abends und vor dieser Statue von Rimbaud, den er nicht leiden konnte (Wanderer zwischen den Welten. Jemand hatte die Inschrift manipuliert, jetzt stand da zu lesen: »Wanderer zwischen den Zelten«), zögerte er einen Augenblick und schlug den falschen Weg ein.
    Oder den richtigen, je nachdem.

7
    Um diese Zeit kommst du also nach Hause?«, fuhr sie ihn an, die Fäuste in die Hüften gestemmt.
    Er tat so, als wollte er sie an die Wand drücken, und ging in die Küche.
    »Du bist nicht vielleicht ein bisschen unverschämt, du? Warum hast du nicht angerufen? Ich hätte heute in galanter Gesellschaft sein können, damit du’s weißt ...«
    Er sah ihren Schmollmund und fing an zu lachen. »Na ja. ›Ich hätte‹, sage ich. Okay? Ich hätte ...«
    Er umarmte sie.
    »Nur zu, fühl dich wie zu Hause«, fuhr sie fort, »im Übrigen gehört es ja auch dir. Welcome home, mein Süßer, was führt dich zu mir? Willst du mir die Miete erhöh–? O je«, korrigierte sie sich, »stimmt was nicht? Machen dir deine Russen immer noch Ärger?«
     
    Er wusste nicht, wo anfangen, und schon gar nicht, ob er die richtigen Worte finden würde, darum entschied er sich für den Weg des geringsten Widerstands: »Ich friere, ich habe Hunger, ich brauche Liebe.«
    »O je, das sieht schlecht aus, sehr schlecht! Komm mit.«
     
    »Ich kann dir ein Omelett machen aus uralten Eiern und leicht ranziger Butter, ist dir das recht?«
     
    Sie sah ihm beim Essen zu, machte ein Bier auf, löste ihr Nikotinpflaster und schnorrte eine Zigarette.
    Er schob den Teller von sich und betrachtete sie schweigend.
    Sie stand auf, knipste die Lampe unter der Dunstabzugshaubean, löschte alle anderen und setzte sich wieder, wobei sie ihren Hocker so hinstellte, dass sie sich an die Wand lehnen konnte. »Wo fangen wir an?«, flüsterte sie.
    Er schloss die Augen. »Ich weiß es nicht.«
    »Klar weißt du’s. Du weißt doch immer alles –«
    »Nein. Nicht mehr.«
    »Du –«
    »Ich?«
    »Weißt du, woran sie gestorben ist?«
    »Nein.«
    »Hast du Alexis nicht angerufen?«
    »Doch, aber ich habe vergessen, ihn zu fragen –«
    »Ach!«
    »Er hat mich geärgert, und ich habe aufgelegt.«
    »Verstehe. Nachtisch?«
    »Nein.«
    »Das trifft sich gut, ich habe auch keinen. Nimmst du –«
    »Laurence betrügt mich«, fiel er ihr ins Wort.
    »Das

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