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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ist ja ganz was Neues«, kicherte sie. »Oh, entschuldige–«
    »War das so deutlich zu merken?«
    »Nein, nein, war nur ein Scherz. Einen Espresso?«
    »Dann war es also so deutlich zu merken –«
    »Ich habe auch einen Kräutertee ›Bauch weg‹, wenn dir das lieber ist.«
    »Bin ich derjenige, der sich verändert hat, Claire?«
    »Oder ›Nachtruhe‹. Der ist auch nicht schlecht, Nachtruhe. Der entspannt. Was meinst du?«
    »Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr.«
    »He. Willst du uns hier vielleicht eine Lebenskrise hinlegen? Eine Midlife-Crisis, wie es so schön heißt?«
    »Meinst du, das ist es?«
    »Sieht mir ganz danach aus.«
    »Wie schrecklich. Ich hätte mich für origineller gehalten. Sehr enttäuschend«, vermochte er zu scherzen.
    »So schlimm ist es auch wieder nicht, oder?«
    »Alt werden?«
    »Nein, Laurence. Für sie ist das doch wie ein Besuch in einem Spa. Wie ... Keine Ahnung ... Eine Gurkenmaske vielleicht. Kleine Geheimnisse, die bestimmt weniger gefährlich sind als Botox ...«
    »...«
    »Und außerdem –«
    »Ja?«
    »Du bist doch nie da. Du arbeitest wie bekloppt, machst dir ständig Sorgen, versetz dich mal in ihre Lage.«
    »Du hast recht.«
    »Klar hab ich recht! Und weißt du, warum? Weil ich genauso bin. Ich stürze mich in den Job, um nicht nachdenken zu müssen. Je nerviger meine Fälle sind, umso mehr reibe ich mir die Hände. Genial, denke ich dann, für die nächsten Stunden bist du gerettet – und weißt du, warum ich überhaupt arbeite?«
    »Warum?«
    »Um zu vergessen, dass meine Butterdose stinkt.«
    »...«
    »Wie soll uns da jemand treu sein? Wem soll derjenige treu sein? Was? Wie? Aber – dir macht der Job doch Spaß, oder?«
    »Ich bin nicht mehr sicher.«
    »Doch, er macht dir Spaß. Jetzt tu bloß nicht so, als wenn es anders wäre. Der Job ist ein Privileg, für das wir schon teuer genug bezahlen. Und außerdem hast du Mathilde ...«
    »Ich hatte Mathilde.«
    Stille.
    »Hör auf«, regte sie sich auf, »du kannst doch nicht so tun, als gäb’s dieses Kind nicht mehr. Und außerdem bist du noch nicht gegangen ...«
    »...«
    »Bist du gegangen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann geh nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Das Leben allein ist zu hart.«
    »Du kriegst es doch auch ganz gut hin.«
    Sie stand auf, öffnete alle Einbauschränke, dann den Kühlschrank, gähnende Leere, und sah ihm direkt in die Augen. »Nennst du das hier leben ?«
     
    Er hielt ihr seine Tasse hin. »Ich habe keinerlei Rechte an ihr, stimmt’s? Juristisch gesehen, meine ich.«
    »Natürlich hast du Rechte. Die Gesetze haben sich geändert. Du kannst schon mal eine Akte anlegen, Bescheinigungen zusammentragen und ... Aber das brauchst du gar nicht, und das weißt du auch.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie dich liebt, Idiot. Gut«, sie räkelte sich, »du wirst es nicht glauben, aber ich habe zu tun –«
    »Kann ich bleiben?«
    »Solange du willst. Ich habe immer noch das alte Vorkriegs-Klick-Klack, es wird Erinnerungen in dir wachrufen.«
     
    Sie räumte Berge an Gerümpel zur Seite und gab ihm frische Bettwäsche.
    Wie in ihren besten Zeiten, gingen sie nacheinander in das winzige Badezimmer und teilten sich die Zahnbürste, aber – die Stimmung war heute anders.
    So viele Jahre waren vergangen, und die wirklich wichtigen Versprechen, die sie einander gegeben hatten, die hatten sie nicht gehalten. Der einzige Unterschied war, dass beide heute zehnmal, hundertmal mehr Steuern zahlten.
     
    Er legte sich hin, bemitleidete seinen Rücken und hörte regelmäßig wiederkehrende Geräusche, die seine durchgemachten Nächte als Student begleitet hatten: die überirdische Metro.
    Konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
    »Charles?«
    Ihre Umrisse erschienen als chinesisches Schattenspiel. »Darf ich dir eine Frage stellen?«
    »Nicht nötig. Ich verschwinde schon wieder. Mach dir keine Sorgen.«
    »Nein, nein, darum geht es nicht.«
    »Ich höre.«
    »Anouk und du?«
    »Ja«, sagte er und änderte seine Stellung.
    »Ihr ... Nein. Nichts.«
    »Wir, was?«
    »...«
    »Willst du wissen, ob wir miteinander geschlafen haben?«
    »Nein. Das heißt, das wollte ich eigentlich nicht wissen. Meine Frage war weniger... Sie war sentimentalerer Art, glaube ich.«
    »...«
    »Entschuldige bitte.«
    Sie hatte sich abgewandt. »Gute Nacht«, fügte sie hinzu. »Claire?«
    »Ich habe nichts gesagt. Schlaf jetzt.«
    Und in der Dunkelheit dieses Geständnis: »Nein.«
    Sie hielt die Klinke fest und drückte

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