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Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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könnte derlei nicht billigen. Dieser Vorfall erinnerte sie wieder einmal daran, daß sie dem Calico-Palast innerlich näher stand als dem sittsamen kleinen Haus, in dem sie lebte. Sie hatte sich einfangen lassen. Sie hatte sich zu einem Menschen machen lassen, der nichts Halbes und nichts Ganzes mehr war. Diese Vorstellung gefiel ihr keineswegs. Aber sie wußte nicht, wie sie sich befreien sollte.

44
    Um die Mittagsstunde des 1. November dampfte die California durch das Golden Gate und nahm Kurs auf die Landenge von Panama. Wie üblich waren die meisten Kojen leer. Der Tag war schön. Sonnenstrahlen gleißten auf dem Schiff. An diesem Nachmittag ging Marny zu Chase & Fenway und verschloß die Rückfahrkarten in dem kleinen Safe, der ihre Münzen barg. Marny zahlte nie mit Münzen, es sei denn, der Artikel war rar und notwendig, so daß der Verkäufer mit Recht auf Münzen bestand und Goldstaub ablehnte. Auch heute fügte sie ihrem Privatschatz wiederum Münzen bei.
    Bis kurz nach Mitternacht teilte sie Karten aus. Alsdann stieg sie die Treppen hinauf zu ihrem Zimmerchen im dritten Stock und legte sich ins Bett.
    Anders als das Bella Union und die übrigen Unterhaltungsstätten an der Plaza blieb der Calico-Palast nicht die ganze Nacht geöffnet. Marny und Norman hatten die Beobachtung gemacht, daß in diesen Häusern der Krawall stets in den frühen Morgenstunden begann, wenn das Personal müde und die Kundschaft betrunken war. Sie schlossen beizeiten.
    Längst hatte sich Marny an den Radau der Plaza gewöhnt und schlief ziemlich gut. An diesem Morgen wurde sie jedoch von einem Lärm geweckt, der anders war als der vertraute. Sie richtete sich halb auf und hörte das Heulen des Windes und das Krachen der Schiffe, die von der aufgewühlten See gegeneinandergeworfen wurden. Als sie zum Fenster hinausblickte, erkannte sie, daß die schönen Tage nun endgültig zu Ende waren. Die Wolken trieben schwer dahin, und während des Tages wurden sie immer dunkler. Schließlich mußten die Schwarzbärte in den Spielräumen die Leuchter anzünden, damit die Leute ihre Karten sehen konnten. Am Spätnachmittag brach der Sturm los.
    Es regnete die ganze Nacht. Es regnete den ganzen nächsten Tag. Es regnete auch am zweiten und am dritten und am vierten Tag. Zwei Wochen lang regnete es nahezu unablässig. Nur hin und wieder hörte es für eine halbe Stunde auf, und dann blickten die Leute hoffnungsvoll zum Himmel auf und fragten: »Meinen Sie nicht auch, daß es jetzt aufklaren wird?« Sie fanden jedoch kaum Zeit, eine lecke Stelle abzudichten, da regnete es schon wieder.
    Der Morast wälzte sich in Sturzfluten die Berghänge hinab. Diese Ströme rissen tiefe Löcher, in denen bald das Wasser stand. Die ganze Stadt schwankte in einem riesigen Schlammsee. Die besten der Bürgersteige waren auf festem Unterbau angelegt worden, und die konnte man noch benutzen, sofern man schwere Stiefel trug und sich mit Bedacht vorwärts bewegte. Einfach war dieses Laufen allerdings nicht, denn die Steige waren so schmal, daß zwei Personen kaum aneinander vorbeikamen, ohne sich in den Matsch zu stoßen.
    Die Fuhrwerke blieben stecken. Die Maultiere mühten sich ab und gerieten doch immer tiefer in den Schlamm. Zuweilen brach eines zusammen und erstickte. Die Besitzer versuchten die Kadaver fortzuzerren, aber der Gestank verriet bald, daß sie ihre Anstrengungen aufgegeben hatten. Die Wagen versanken bis zu den Rädern im Morast; waren selbst die Räder nicht mehr zu sehen, dann kümmerte sich niemand länger um sie.
    Chase und Fenway inserierten Gummimäntel, Gummihüte und Gummistiefel; außerdem hatten sie Gummizelte zum Darinwohnen zu offerieren sowie Gummilaken für die Betten jener Leute, die in Hütten mit undichten Dächern lebten. Diese Dinge wurden zwar dringend benötigt, aber nur wenige waren imstande, den Laden zu erreichen. Die Montgomery Street war ein schwarzes gefährliches Meer aus Schlamm geworden. Der Regen sorgte dafür, daß es mit jeder Stunde tiefer wurde.
    Mr. Fenway kam auf eine Idee.
    »Werfen wir doch diesen Plunder aus New York hinein«, schlug er vor. »Dann wird die Straße bald wieder passierbar sein.«
    Sogleich machte er sich mit Mr. Chase und seinen Helfern an die Arbeit. Binnen kurzem folgten andere Geschäftsleute ihrem Beispiel: Sie schleiften Ballen und Fässer mit Waren vor die Häuser und versenkten sie im Morast, so daß ihre Kunden sie aufsuchen konnten.
    Sie hatten alle eine Menge Zeug, mit dem sie nichts

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