Alles Gold Der Erde
Morgendämmerung bis zum Abend in der Erde herumwühlte, fand nicht genug, um einen Teller Bohnen bezahlen zu können.« Mr. Fenway nickte befriedigt. »Nun, Pocket, ich vermute, davon haben Sie wohl noch nie etwas gehört.«
Pocket lächelte bescheiden. »Nein, Sir, nie. Damals war ich nämlich noch gar nicht da. Ich bin erst im letzten Sommer gekommen.«
Kendra konnte dieses Geschwätz nicht mehr länger ertragen. Sie zupfte an Evas Ärmel. »Entschuldige, Mutter, aber meinst du nicht auch, es wäre besser, ich bekäme endlich meine Lebensmittel?«
»Ach ja, natürlich«, entgegnete Eva. Kendra wandte sich zu Mr. Chase: »Rufen Sie doch, bitte …«
Doch Mr. Fenway richtete bereits in seinem schleppenden Tonfall das Wort an sie:
»Ich werde mich sogleich um Sie bemühen, Miß.«
Er begab sich hinter die Theke, nahm ihren Korb vom Regal und wartete an der Tür zum Lagerraum auf sie. Als Kendra ihm folgte, sah sie, daß die große Hintertür offen stand und ein Lieferwagen gerade abfuhr. Die Jungen packten Waren aus, und kein Zweifel: Auch Ted mußte im Lagerraum sein. Sie gelobte sich, die halbwüchsigen Bengels bald loszuwerden, und trat mit Mr. Fenway ein.
Die Packjungen waren ihr als Bert, Al und Foxy bekannt. Als Kendra den Lagerraum betrat, sahen sie auf, grinsten bei ihrem erfreulichen Anblick und riefen: »Wie geht's. Miß?«
Ted war nicht da.
Im Raum war es düster und kalt. Dieses Lager erinnerte sie an ein Gewölbe, und Mr. Fenway erinnerte sie an ein Gespenst. Kendra stieg ein Dutzend Treppenstufen hinab. Mr. Fenway begleitete sie in tiefstem Schweigen. Plötzlich konnte sie ihre Ungeduld nicht mehr zügeln. Vorsichtig erkundigte sie sich:
»Wo ist denn Ted Parks heute morgen, Mr. Fenway?«
Mit einem traurigen Kopfschütteln antwortete er:
»Ted Parks ist gegangen.«
Kendra fürchtete umzusinken. Sie lehnte sich gegen ein Faß. »Gegangen?« fragte sie matt. »Wohin gegangen?«
»Achtung, Foxy!« schrie Bert hinter ihr. »Leg die Kerzen nicht so nah an den Rand vom Regal, sonst rollen sie 'runter. Schieb sie nach hinten.«
Mr. Fenway hatte sich einem andern Regal zugewandt und langte nach einer Schachtel. Über die Schulter gab er Kendra Bescheid:
»Nach Sutters Fort.« Seufzend fuhr er dann fort: »Ich weiß auch nicht, was heutzutage diesen jungen Leuten in den Kopf fährt. Zu meiner Zeit jedenfalls warf man seinen Job nicht wortlos hin. Parks hatte eine angenehme Arbeitszeit, eine gute Bezahlung und ein warmes Zimmer über dem Laden. Keine Dankbarkeit. Gestern kommt er hier an und sagt, daß er fortgehen will. Nun. Miß, wir haben da diese guten getrockneten Birnen aus Oregon bekommen …«
6
Das Leben ging weiter, aber das Leben ohne Ted war langweilig und freudlos. Ein Tag glich dem andern.
Kendra kochte auch weiterhin, denn sie mußte ja schließlich etwas zu tun haben, und die Offiziere versicherten Alex von neuem, daß er der glücklichste Mann in der ganzen Stadt sei. Kendra wurden von einsamen jungen Offizieren mehrfach Heiratsanträge gemacht. Sie kannte die Männer kaum und lehnte so liebenswürdig wie möglich ab. Es waren immerhin ganz nette junge Männer. Doch sosehr sie es auch versuchte, sie konnte sich nicht vorstellen, daß sie mit einem dieser netten jungen Männer ins Bett gehen sollte. Mit Ted konnte sie sich das vorstellen; sie hatte daran schon oft gedacht – und sie brauchte sich dabei nicht einmal Mühe zu geben.
Ab und zu hörte sie die Leute von dem Gold an Sutters Sägewerk sprechen, doch stimmte sie mit Mr. Fenways Ansicht überein, daß sich die Aufregung nicht lohne. Ein paar Hafenstrolche, die stets nach einem leichten Weg zum Reichtum suchten, zogen in die Berge hinauf. Andere, die das Fiasko im Süden vorsichtig gemacht hatte, blieben ungerührt.
Von Ted gab es keine Nachrichten. Statt seiner hatten Chase und Fenway einen jungen Mann namens Hodge aus Missouri eingestellt. Hodge tat seine Pflicht, aber er verfügte weder über Teds einnehmende Manieren noch über dessen Bildung. Ted konnte schön formulierte Geschäftsbriefe schreiben und auch die lateinischen Floskeln in den Verträgen lesen – Kunststücke, die Hodges Kräfte überforderten. Ted wurde vermißt.
Kendra wünschte, sie hätte eine Freundin, mit der sie sich aussprechen könnte, aber sie hatte nun einmal keine. Mit ihrer Mutter konnte sie sich ganz gewiß nicht aussprechen. Sie kannten einander nicht gut genug.
Im April jedoch wurde das Wetter wieder schön, und die Cynthia traf
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