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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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von mir, zu erwarten, dass er seinen Groll ablegt angesichts eines Geldscheins, den auszugeben er niemals Gelegenheit haben wird, weil zu seinem Unterhalt dieses elende Stück Erde genügt und jenes einsame Huhn und das unglückselige Tier, das sich zu seinen Ragouts anbietet. Er ist ein Weiser, und wie alle Weisen verabscheut er das Geld, denn er ahnt
dessen Zauber. Er will den Versuchungen ausweichen. In dieser Einöde! Oder er will sich selbst nur beweisen, dass ich zwar der Sieger bin, aber nicht der Freund, dass ich ihm etwas verkaufen, aber nichts schenken darf.»
    Mein Angebot kränkte also Johannes tief. Den ganzen Tag über vermied er es, mich anzusehen und das Wort an mich zu richten; und als es Abend wurde, sah ich, dass er mit seinem Blechkanister fortging.«Eine merkwürdige Zeit, um zum Fluss zu gehen», dachte ich, doch ich maß dieser Tatsache nicht mehr Bedeutung bei, als sie verdiente. Vielleicht war weiter nichts geschehen, als dass das Maultier, Johannes’ Nachlässigkeit und Zerstreutheit ausnutzend, das Wasser getrunken hatte; und nun ging der Alte geduldig hin, um den Kanister wieder zu füllen. Er würde zurückkommen. Um diese Tageszeit konnte er den Weg zum Hochland nicht auf sich nehmen, da er riskierte, sich nachts im Gehölz zu verirren. Um mir die Wartezeit zu vertreiben, bereitete ich mich auf die letzte Nacht im Dorf vor und kochte allen Kaffee, der mir noch übriggeblieben war, um ihn zu dem Wasser in der Feldflasche zu gießen. Unterwegs würde ich ihn brauchen können. Auch beschloss ich, den Tornister leichter zu machen und auf überflüssige Gegenstände zu verzichten, aber es war recht wenig, was man wegwerfen
konnte. Da die Vorräte seit einiger Zeit aufgebraucht waren, besaß ich nur noch etwas Wäsche, die Decke, das Päckchen mit den Briefen, die Bibel, die nötigsten Toilettengegenstände und das Geld. Ich packte auch ein großes Brot in den Tornister (ich wusste jetzt, wie man es backt, und Johannes hatte mir einen Teil von seinem Mehl verkauft) und schnallte die Riemen zu.
    Eine Stunde später war der Abend schon hereingebrochen. Johannes war nicht zurückgekommen. Mit Johannes war auch das Maultier verschwunden, erst jetzt wurde ich es gewahr; sie hatten mich also allein gelassen. An diesem Abend hatte sich der Himmel plötzlich mit einem Dunstschleier überzogen, so dass nicht einmal das Licht der Sterne die Dunkelheit erhellte. Ich begann ungeduldig zu werden. Nachdem ich ein gutes Stück auf dem Pfad vorgedrungen war, rief ich Johannes mit lauter Stimme, zwei-, drei-, zehnmal. Doch niemand gab Antwort, abgesehen von jenen melancholischen Nachtvögeln, die noch eher als die Schakale begannen, das Dorf als ihre zukünftige Behausung zu betrachten, und, von der Stille angelockt, schon im Voraus die ersten Rechte in Anspruch nahmen. Niemand gab Antwort, und nun lief ich wieder ins Dorf in der Meinung, Johannes sei unterdessen zurückgekehrt. Ich sagte mir, seine Abwesenheit mache
mir wenig aus, solange sie nicht bedeutete, dass er mich verraten ging.
    Lange Zeit verbrachte ich neben dem Feuer, den Rücken gegen die Hütte gelehnt, denn ich war nicht müde. Ich überlegte, dass Johannes vielleicht ins Nachbardorf, das«Eierdorf»gegangen und, vom Anbruch der Nacht überrascht, dort geblieben sei. Doch als ich nochmals darüber nachdachte, musste ich diese Möglichkeit ausschließen. Mir fiel nämlich ein, dass Johannes mit dem Blechkanister fortgegangen war, ein Zeichen, dass er Wasser holen wollte; also musste er am Fluss geblieben sein, aber wozu? Warum hatte er das Maultier hinter sich hergezogen, wenn er nur zum Fluss gehen wollte? Ganz bestimmt nicht, damit es das Gefäß trage, dieses faule Vieh. Aber was nun? Es ist doch klar, Johannes hat nur so getan, als begebe er sich zum Nebenfluss, und zu dieser Stunde trottet er bereits auf der Abkürzung dahin, oder er ist sogar schon beim Kommando angekommen und erzählt von einem Offizier, der sich seit zehn Tagen in seinem Dorf herumtreibt und immer davon redet, er wolle zum Tiefland gehen, aber nie geht. Ich begann den Alten zu verfluchen; er hatte in einer Art und Weise gespielt, die meine Flucht unmöglich machte. Vor dem Morgengrauen würde ich nicht aufbrechen können, und nach dem Morgengrauen würde
der Hügel bereits von einer Patrouille überwacht sein. Ich erkannte darin die Verschlagenheit des Primitiven, der sich der Nacht anvertraut, um seine Fallen zu stellen.«Gut», sagte ich,«du hast es dir

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