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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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wieder anzukleiden, sah ich, wie zehn Meter vom Ufer entfernt das Wasser aufschäumte. Einen Augenblick später hatte ich die Pistole gezogen und zielte auf das Krokodil, denn unzweifelhaft handelte es sich um ein solches Tier. Ich zielte, zögerte aber zu schießen, da ich wusste, dass meine Kugeln den Panzer des Ungeheuers kaum ritzen würden und ich es nur töten konnte, wenn ich es ins Auge traf. Ich hielt mich bereit, zu fliehen und den Pfad zu erreichen; den Blechkanister müsste ich liegen lassen, da er mir hinderlich sein würde. Doch das Wasser glättete sich wieder, und ich sah keine Spur von einem Krokodil.«Ich habe mich getäuscht», dachte ich. Dann aber sagte ich mir, dass ich mich nicht getäuscht und dass das Krokodil mich vielleicht nicht bemerkt hatte. Bekanntlich sehen diese Tiere im Wasser weniger gut als am Land. Ich wartete noch, und ohne dass ich es mir einzugestehen wagte, wünschte ich, das Krokodil möge auftauchen: Ich wollte es sehen. Gewiss,
wenn es auftauchte, würde ich fliehen, doch ich wollte es sehen; und es war nicht die Angst, die mir diesen sonderbaren Wunsch eingab, und auch keine wissenschaftliche Neugier; es war nur der Wunsch, es zu sehen und die ganze Ladung auf es abzufeuern. Und dann fliehen.
    Ich fing an, es zu beschimpfen. So, glaube ich, machen es die Wilden, um die scheuen Raubtiere aufzuhetzen. Ich sagte zu ihm, es solle sich nur blicken lassen. Warum machte es sich davon? Wollte es von meinem Fortgehen, das nun fest beschlossen war, profitieren, um unbehelligt davonzukommen? Wusste es etwa, dass ich am nächsten Morgen fortgehen wollte? Es hätte mir Spaß gemacht, mit seiner gegerbten Haut zu«ihr»heimzukehren.
    Ich sagte diese und ähnliche Albernheiten mit lauter Stimme, wobei ich immer mehr in Erregung geriet. Als ich das Wasser noch einmal aufwallen sah, feuerte ich fluchend in diese Richtung. Die sieben Schüsse wirbelten winzige Spritzer auf. Noch nicht zufrieden, nahm ich einen großen Stein und schleuderte ihn ins Wasser.«Da!», brüllte ich. Danach war ich einigermaßen beruhigt; ich nahm den Blechkanister und stieg wieder zur Lichtung hinauf, und wieder überfiel mich der brennende Wunsch, dass Elias kommen möge. Es war sinnlos, am Rand der Lichtung zu
warten; ich kehrte in die runde Hütte zurück und lud, um mich zu zerstreuen, die Waffe aufs Neue. Leider hatte ich sieben Schüsse vergeudet, jetzt blieb mir nur noch ein einziges Magazin. Doch ich würde ohnehin keine Gelegenheit haben, es zu leeren, sagte ich mir.
    An jenem Tag zögerten die Vögel, in die Hütte hineinzufliegen, und sobald ich rief, flogen sie hinaus, ohne dass ich die Aufforderung zu wiederholen brauchte. Einen von ihnen, der mich mit hochgehobenem Füßchen und schrägem Kopf beobachtete, spuckte ich an; und dann sah ich ihn wie wahnsinnig herumflattern und sich im Stroh des Daches verfangen, wild um sich schlagend und unfähig, den Ausgang zu finden.«Die haben mich kennengelernt», dachte ich. Das Schlimme ist, dass diese Eingeborenen nicht auf die Jagd gehen und die Vögel lästige Gewohnheiten annehmen und meinen, man müsse ihre Zutraulichkeiten bis in alle Ewigkeit ertragen.«Ich bin noch nicht tot», brüllte ich,«und wer weiß, ob ich nicht noch Zeit habe, euch zuerst aufzufressen.»Mit diesem Geschrei versuchte ich mich zu beschwichtigen. Der Vogel fand den Ausgang und ließ etwas zu Boden fallen, das er sicherlich aus dem Tornister gestohlen hatte: ein Stück Eisen, eine Schraubenmutter. Ich durfte den Tornister keine Minute offen lassen. Ich hob die
Schraubenmutter auf, und der Major kam mir in den Sinn. Er hatte mir eine schöne Sommerfrische gewünscht. Und wirklich, bei diesem Spiel mit der Schraubenmutter hatte er gewonnen. Doch die Sommerfrische ging ihrem Ende zu, jetzt lobte ich mir meine Vorsicht.
    Ich nahm die Schraubenmutter und warf sie einige Male auf den Boden, so als spielte ich mit einem Würfel, und ich zählte laut die Punkte.«Herr Major, ich werde gewinnen», schloss ich lachend. Doch ich wurde wieder traurig, als mir einfiel, dass, selbst wenn ich nach Italien zurückkehrte, allzu viele Prozesse auf mich warteten. Zu viele Prozesse und das Krankenhaus. Und würde«sie»kommen und mich besuchen? Würde sie Bücher, Orangen, Tabak mitbringen? Und jedes Mal eine Ausrede erfinden, um ein wenig früher wegzugehen? Oder würde sie überhaupt nicht kommen? Diese Einsamkeit oder eine andere, das kam schließlich auf dasselbe heraus. Ich würde die

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