Alles hat seine Zeit
dann war er plötzlich still. Ich glaubte, ich hätte ihn getötet, und fing an zu zittern, verwirrt und vor mich hin stammelnd. Ich rief ihn mehrmals.
Einen Augenblick später war Johannes wieder auf den Beinen, fahl im Gesicht, größer, als ich ihn je gesehen hatte. Dicke Blutstropfen rannen ihm aus einer Wunde auf der Stirn übers Gesicht. Da warf ich den Pfahl fort, um ihm zu zeigen, dass ich nicht mehr auf ihn losschlagen wolle und dass ich nur durch seinen Angriff dazu gezwungen
worden war. Er sah mich keuchend an, seine Augen waren mit Blut verschmiert. Ein wenig taumelnd wandte er sich dem Rand der Lichtung zu und rannte auf dem Pfad davon.«Johannes!», schrie ich.
Er hörte nicht auf mich, sondern rannte nur noch schneller. Jetzt musste ich ihn einholen; bestimmt wollte er mich denunzieren, und ich durfte ihn nicht gehen lassen. Ich packte ihn an den Schultern, ich beschwor ihn umzukehren. Hysterisches Lachen kam aus seinem Mund und erschütterte seine Brust; mit seinen harten und knochigen Fäusten versuchte er mich ins Gesicht zu schlagen, und ich musste ihn an den Handgelenken packen; doch ich spürte, dass sie stärker waren als meine Hände. Gänzlich erschöpft wollte ich ihn gerade aus der Umklammerung loslassen, als Johannes, immer noch lachend, auf dem Boden zusammenbrach. Ich beugte mich über ihn, um ihm zu Hilfe zu kommen, aber ein starker Cognacgeruch stieß mich zurück: Er war betrunken, und die brennende Sonne gab ihm noch den Rest. Er lachte immerfort, brüllte und stieß mit den Füßen, doch immer schwächer, bis er schließlich einschlief.
Ich durfte ihn nicht auf dem von der Sonne beschienenen Pfad liegen lassen; ich musste ihn mir auf die Schultern laden, den Hügel wieder hinaufsteigen
und ihn in sein kleines Bett legen, von dem ich zuerst eine Flasche wegnehmen musste, die er vollständig geleert hatte.
Die Wunde auf der Stirn war nicht tief. Ich wusch sie aus und sprenkelte die wenigen Tropfen Cognac darauf, die noch in der Flasche waren. Jetzt schlief Johannes tief, und dann und wann hörte ich ihn lachen.
9
Es war, wie ich ihn so lachen hörte (ein rauhes und langgezogenes Lachen, jenem sehr ähnlich, das nachts der Wind aus fernen Gegenden herüberwehte), dass ich beschloss, ihn zu töten. Ich musste ihn töten und fortgehen: Es wäre unsinnig und dumm gewesen, diesem Alten, den ich einmal in Wut gebracht hatte, zu trauen.
Johannes schlief bis zum Nachmittag, und die ganze Zeit über blieb ich in seiner Hütte, um bei ihm zu wachen. Die Wunde war nicht besorgniserregend, aber als Johannes aufwachte und sah, dass ich ihm zulächelte, wollte er sich erheben und fing an, mich zu beschimpfen. Ich legte ihn geduldig wieder hin und reichte ihm die bis zum Rand mit Wasser gefüllte Blechbüchse. Während er trank, wandte er die Augen nicht von meinem
Gesicht, und als er die Büchse ganz geleert hatte, dankte er mir.
Er wollte um jeden Preis aufstehen, mit der erbitterten Energie des Betrunkenen, wenn er erwacht, doch ich zwang ihn, in seiner Hütte zu bleiben, und bereitete ihm das Abendessen. Ich machte mir keine Sorgen darüber, dass ich sein Geschirr oder sein Brot berührte; meine Lepra würde bei ihm, wenn überhaupt, erst im Grab ausbrechen, nicht vorher. Ich öffnete eine Dose Marmelade, und er verschlang sie; er ließ sich wie ein krankes Kind pflegen. Wenn ich mich entfernte, hörte ich sogleich, wie seine Stimme nach mir rief:«Herr Oberleutnant.»
Vielleicht spielte bei dieser plötzlichen Veränderung eine große Rolle, dass ich mich gewehrt und vor allem ihm jenen Hieb versetzt hatte, obschon ich es jetzt bedauerte; doch Johannes konnte nicht umhin, ihn zu bewundern. Es war ein schneller Schlag gewesen, dem eine Finte vorausgegangen war, ein gewöhnlicher Quintschlag auf den Kopf, und Johannes wusste ihn zu würdigen. Nun starrte er mich mit lächelndem Respekt an; es sei denn, sein Verhalten wurde ihm auch von der Pistole nahegelegt, die ich an der Seite trug.
Es schien also, als sei er unversehens mein Freund geworden, doch ich konnte dieser Veränderung nicht trauen, hinter der sich gewiss eine
abscheuliche Falle verbarg: Schon am nächsten Tag würde er vielleicht so tun, als ginge er zum Fluss, und würde lächelnd den Weg zum Hochland einschlagen. Er war nicht der Typ, der einem verzieh. Dass er von meinen Gewissensbissen profitierte, um sich bedienen zu lassen, bestätigte es mir vollauf.
Ich wartete daher, bis er wieder einschlief, und machte eine
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