Alles Ist Ewig
kommunizierten sie hauptsächlich per E-Mail, und sie hatte ihn seit sechs Monaten nicht mehr gesehen – seit seinem Besuch in Rom im vergangenen Juli. Sie hätte nicht gedacht, dass er ihr dermaßen fehlen würde. Die Trennung von Beau war einer der wenigen Nachteile, die ihr neues Leben in Italien mit sich brachte. Nachdem sie ihn fast zehn Jahre lang jeden Tag gesehen hatte, konnte Haven sich einfach nur schwer daran gewöhnen, dass sie nicht einfach in das Auto ihrer Mutter springen und zu dem alten Farmhaus der Deckers fahren konnte, wann immer sie das Bedürfnis hatte, mit jemandem zu reden.
Beau war seit dem Tag, an dem sie sich kennengelernt hatten, wie ein Bruder für sie, und als Haven erfahren hatte, dass er es in früheren Leben tatsächlich gewesen war, hatte sie das nicht im Mindesten überrascht. Beau kannte jede einzelne von Havens vielen Macken und liebte sie trotzdem – wie es sich für einen Bruder eben gehörte. Und so hatte Havens erste Handlung als Erbin des Morrow-Vermögens nach Iains inszeniertem Tod darin bestanden, einen Dauerauftrag für Beaus Collegegebühren einzurichten. Das war das Mindeste, was sie tun konnte, um sich bei ihm für alles zu bedanken. Ihm jetzt eröffnen zu müssen, dass das Morrow-Geld plötzlich weg war, gehörte zu den schmerzhaftesten Aufgaben in ihrem ganzen bisherigen Leben.
»Ich wünschte, das hier wäre wirklich ein Vergnügen, aber ich hab leider schlechte Neuigkeiten.« Haven bemerkte, wie ihr Tennessee-Akzent zurückkehrte, wie jedes Mal, wenn sie mit Beau sprach. »Mach dich besser auf was gefasst.«
»Oha«, erwiderte Beau. Seine Laune – ob gut oder schlecht – war meistens kaum zu beeinflussen, und so klang er noch immer unverändert fröhlich. Haven konnte hören, wie er sich in seinem Zimmer bewegte. Im Hintergrund klimperten Drahtkleiderbügel. Er packt schon seine Koffer, um wieder nach Hause zu fahren, dachte sie missmutig. »Dafür habe ich gute Neuigkeiten«, sagte er dann, »vielleicht gleicht sich ja alles wieder aus. Aber du hast angerufen, also schieß los, damit wir es hinter uns haben.«
»Es geht um deine Collegegebühren.« Haven hielt inne und überlegte verzweifelt, wie sie den Satz zu Ende bringen sollte.
»Ach so, das «, schnitt Beau ihr das Wort ab. »Ja, die Verwaltung vom Vanderbilt hat heute Morgen angerufen. Sie meinten, dein Scheck für das nächste Semester wäre nicht gedeckt gewesen. Ich hab denen schon gesagt, dass das ein Missverständnis sein muss …«
»Ist es aber nicht.«
Die geschäftigen Geräusche am anderen Ende der Leitung brachen abrupt ab. »Wie kann das denn sein? Ich hab dich noch nie irgendwas außer Nähzeug, Cappuccinos und Glättungshaarspray kaufen sehen. Hast du etwa dein ganzes Vermögen für Pailletten auf den Kopf gehauen?« Er klang noch immer nicht sonderlich besorgt.
»Meine Konten sind gesperrt worden«, versuchte Haven zu erklären. »Iains Mutter hat mich wegen Betrugs verklagt.«
»Wegen Betrugs?« Beau verschluckte sich beinahe an dem Wort. »Dich?«
»Sie behauptet, ich hätte Iains Testament gefälscht.«
»Was? Wofür hält die dich denn? Die ultimative Superschurkin?«
»Ich weiß, ich weiß. Es ist alles total hirnrissig, aber sie scheint irgendeinen Richter in New York gefunden zu haben, der ihr die Geschichte abkauft. Ich hab bis vor ein paar Minuten noch mit meinem Anwalt telefoniert. Sieht so aus, als könnte Virginia Morrow mich tatsächlich vor Gericht zerren.«
»Das klingt mir eigentlich mehr nach einer Angelegenheit, die von Frau zu Frau geklärt werden müsste.«
»Bist du verrückt?« Nicht einmal im Traum wäre Haven auf diesen Gedanken gekommen. »Die würde sofort auflegen, wenn ich sie anrufe.«
»Ich meine ja auch nicht, dass du sie anrufen sollst. Iains Mom lebt doch in Italien, oder? Warum fährst du nicht einfach mal bei ihr vorbei und versuchst, sie zur Vernunft zu bringen? Und wenn das nicht klappt, kannst du ihr immer noch eine reinhauen. Oder ihr ein dickes Bündel Geld in die Hand drücken. Darauf ist sie doch wahrscheinlich sowieso aus.«
»Vielleicht ist das gar keine so schlechte Idee«, murmelte Haven nachdenklich. Virginia Moore lebte irgendwo in der Toskana, also nicht weit von Florenz entfernt. Haven hatte einmal die Adresse gesehen, als sie nach Iains inszeniertem Tod alle möglichen Papiere hatte unterschreiben müssen.
»Und hast du mal darüber nachgedacht, der guten Ms Morrow zu erzählen, dass ihr Sohn gar nicht tot ist? Das
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