Alles Ist Ewig
würde ihr doch einen ziemlichen Strich durch die Rechnung machen.«
Genau das hatte Haven Iain als Allererstes vorgeschlagen, aber Iain hatte die Möglichkeit vehement abgelehnt. Seine Mutter war die letzte Person, der er anvertrauen wollte, dass er noch unter den Lebenden weilte.
»Iain hält das für keine gute Idee«, gab Haven diplomatisch zurück, während sie zur anderen Seite des Hotelzimmers hinübersah, wo Iain vor einem aufgeklappten Laptop saß. Er trug noch immer denselben schicken marineblauen Anzug wie im Restaurant und ging die Dokumente durch, die Havens Anwalt geschickt hatte, auf der Suche nach einer Lösung. Normalerweise ließ sie sich nur zu gern von Iains Optimismus anstecken, aber dieses Mal hatte Haven das Gefühl, dass die Angelegenheit nicht so leicht zu klären sein würde. »Aber keine Sorge, Beau. Wir finden schon einen Weg, und dann zahlen wir auch das Geld an dein College. Es könnte nur noch ein bisschen dauern. Im Moment kann ich leider nicht viel tun.«
»Mach dir keine Gedanken. Ist schon alles in Ordnung so«, versicherte Beau ihr. »Ich hatte sowieso vor, eine kleine Auszeit zu nehmen.«
»Eine Auszeit?«, wiederholte Haven. »Wozu das denn?«
»Tja, womit wir wohl bei meiner Neuigkeit wären: Ich habe jemanden kennengelernt«, verkündete Beau.
»Das ist ja toll«, erwiderte Haven mit so viel Begeisterung, wie sie aufbringen konnte. Als einziger offizieller Schwuler Snope Citys hatte Beau in den gesamten vier Highschooljahren kein einziges Date gehabt. Diese Durststrecke hatte ein vorläufiges Ende gefunden, als er aufs College gegangen war, wo es genug Jungs gab, die einen Südstaatengentleman mit dem Aussehen eines nordischen Gotts zu schätzen wussten. Beau aber hatte ziemlich bald herausgefunden, dass der ganze Dating-Zirkus ein knallhartes Geschäft war. Im zweiten Semester war ihm fürchterlich das Herz gebrochen worden, und Haven hatte gehofft, dass er fortan ein bisschen vorsichtiger sein würde.
»Nein, so ist das nicht«, wehrte Beau ab, bevor Haven ihre Zweifel äußern konnte. »Diesmal ist es wirklich was Ernstes.«
»Das hast du bei Stephen auch gesagt«, bemerkte Haven.
»Ja, aber das hier ist was anderes. Er sagt, er kennt uns.«
Haven schnaubte. »Das heißt, er ist mal in Snope City gewesen? Das spricht aber nicht gerade für ihn, wenn du mich fragst.«
»Nein. Viel besser.« Haven konnte an Beaus Stimme hören, wie aufgeregt er war. »Er sagt, er kannte uns schon vor Snope City. Lange vor Snope City. In einem früheren Leben. Als du und ich Geschwister waren.«
Haven, der auf einmal ganz schwindelig wurde, setzte sich auf die Bettkante. »Was genau hat er denn gesagt?«
»Das wird dich umhauen, glaub mir. Er hat gesagt, mein Name wäre Piero gewesen. Er hieß Naddo. Und du Beatrice. Wir haben damals alle in Florenz gelebt, Mitte des vierzehnten Jahrhunderts. Beatrice und Piero waren wohl ziemlich reich und wohnten in so einem Palazzo mit drei riesigen Türen. Piero und Naddo haben sich kennengelernt, als sie beide sechzehn waren, und heimlich eine Affäre angefangen. Das alles hört sich unheimlich romantisch an, wenn er davon erzählt. Kniehosen und Tuniken und pompöse Villen. Treffen bei Kerzenschein …«
»Jetzt mal ganz langsam, Romeo«, unterbrach Haven ihn. »Woher weiß der Typ denn, dass ich Beatrice war? Woher will er mich überhaupt kennen?« Am anderen Ende des Zimmers sah Iain von seinem Bildschirm auf und hörte zu.
»Tut er ja gar nicht«, antwortete Beau gereizt. »Ich hab die Verbindung selbst gezogen. Er hat nur gesagt, dass Piero eine Schwester gehabt hat, die er vergötterte, obwohl alle anderen sie für eine ziemliche Nervensäge hielten. Wer bitte soll das denn sonst gewesen sein, wenn nicht du?«
Beau redete weiter, während Haven sich den Telefonhörer gegen die Brust presste. Iain blickte sie fragend an. »Sagt dir der Name Naddo irgendwas?«, flüsterte sie ihm zu.
Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Ich hab ihn nie kennengelernt«, sagte er. »Aber Piero hat andauernd von ihm geredet.«
»Hey, ich hab genau gehört, dass du gerade mit Iain geredet hast«, rief Beau, als Haven den Hörer wieder ans Ohr hob. »Was hat er gesagt? War er in dem Leben damals etwa auch dabei? Kann ich dich denn nie für mich allein haben?«
»Rate mal, wo ich gerade bin«, sagte Haven, ohne auf seine Fragen einzugehen.
»Was?«
»Rate mal, wo ich gerade bin«, wiederholte sie.
»Woher soll ich das wissen?«,
Weitere Kostenlose Bücher