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Alles Ist Ewig

Alles Ist Ewig

Titel: Alles Ist Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Miller
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unter einer ausladenden Zypresse verschwand und die Wände von Wein überwuchert waren, dessen Ranken wohl das einzige waren, was die letzten Stückchen des bröckelnden Putzes an den Ziegelsteinen darunter hielt.
    Haven parkte so nah wie möglich beim Haus. Sie hatte eigentlich gehofft, diesen Besuch so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, um vor Sonnenuntergang wieder in Florenz zu sein. Iain hatte sie erzählt, dass sie einen Schaufensterbummel machen wolle, und wenn sie nicht länger als drei Stunden unterwegs wäre, würde er hoffentlich keinen Verdacht schöpfen. Jetzt aber schien es keinen Grund mehr zur Eile zu geben, denn die Villa schien unbewohnt zu sein. Haven fragte sich, wie lange Virginia Morrow wohl schon nicht mehr hier lebte. Trotzdem beschloss sie, sich durch die Weinranken einen Weg bis zur Haustür zu bahnen. Ein kalter Wind fuhr durch all das Grün, und Haven schlug ein schwacher Gestank nach verrottendem Fleisch entgegen. Sie blickte hinunter und sah, dass sie am Rand eines Swimmingpools stand. In dem eisigen, algenverseuchten Regenwasser, das sich darin gesammelt hatte, trieb ein toter Vogel. Erschrocken wäre Haven beinahe direkt zurück zum Auto gelaufen, dann aber zwang sie sich dazu, Ruhe zu bewahren. Es wäre lächerlich, den ganzen Weg bis hierher gefahren zu sein und dann nicht einmal anzuklopfen.
    Als Haven schließlich vor der Haustür der Villa stand, kroch eine Katze unter einem Busch hervor und strich um ihre Knöchel. Haven beugte sich hinunter und kraulte sie hinter den Ohren. Die Rippen des armen Tiers, das hier draußen so verlassen auf einem einsamen Hügel mitten in der Toskana lebte, stachen hervor wie bei einem hungernden Schiffbrüchigen. Haven fragte sich, ob sie es mit zurück in die Stadt nehmen sollte, wo es wenigstens eine kleine Überlebenschance hätte.
    »Wer ist da?«, blaffte plötzlich eine Stimme aus dem Inneren des Hauses.
    Haven zuckte zusammen, und die Katze verschwand lautlos wieder im Gebüsch. »Mrs Morrow?«, fragte Haven.
    »Mit Reportern rede ich nicht.«
    »Ich bin keine Reporterin, aber ich würde Sie trotzdem gern kurz sprechen. Mein Name ist Haven Moore.«
    Haven meinte, ein heiseres Lachen zu hören. »Ich bin beschäftigt. Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, wenden Sie sich an meinen Anwalt.«
    »Ich hatte gehofft, dass das nicht nötig sein würde. Ich würde diese Angelegenheit wenn möglich gern außergerichtlich klären. Ich möchte Ihnen ein Angebot machen.«
    Die Frau lachte jetzt ganz offensichtlich. »Was denn für ein Angebot?«
    »Das erkläre ich Ihnen, wenn Sie mich kurz reinlassen«, entgegnete Haven.
    »Na, von mir aus.« Die Tür ging auf. »Dürfte unterhaltsam werden.«
    Es war halb drei Uhr nachmittags, aber die Frau, die nun vor Haven stand, war noch immer im Nachthemd. Mit der rechten Hand umklammerte sie ein Kristallglas, das zur Hälfte mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit gefüllt war. Scotch, schätzte Haven, dem Geruch nach zu urteilen, den der Wind zu ihr herüberwehte.
    In Rom war sie eines Nachts, als sie nicht schlafen konnte und durch die Fernsehprogramme zappte, bei einer Folge von Virginias alter Kochsendung Kochen mit Raffinesse gelandet. Um Iain nicht zu wecken, hatte Haven den Ton leise gestellt und zugesehen, wie seine Mutter durch ein Fernsehstudio geisterte, das im Stil einer bescheidenen toskanischen Küche eingerichtet war. Aus der Kleidung der Gastgeberin schloss Haven, dass die Folge irgendwann in den späten Neunzigerjahren gedreht worden war, nicht lange vor Virginias spektakulärem Akt der Selbstzerstörung. Schon jetzt ließen sich Anzeichen für die nahende Katastrophe erkennen. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, und ihr Rouge war einen Tick zu grell. Sie sah aus wie eine perfekt geschminkte Leiche – als wäre sie von den Toten auferstanden, um schreckliche Rache an den Lebenden zu nehmen.
    Neben Virginia Morrows schlummerndem Sohn ins Bett gekuschelt, hatte Haven sich die Sendung angesehen und überlegt, wie viele Folgen sie damals wohl noch von derjenigen entfernt war, die sich zu einem YouTube-Klassiker entwickeln sollte. Ein Kameramann, der die Launen seiner Chefin endgültig satt war, hatte der Presse Filmmaterial zugespielt, das die Fernsehköchin zeigte, wie sie – äußerst kultiviert – rohe Eier, Schweinelenden und unflätige Ausdrücke in ihr Studiopublikum schleuderte. Eine Frau war von einem Parmaschinken vorübergehend bewusstlos geschlagen worden. Wenig später,

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