Alles Ist Ewig
Manhattan niedergelassen. Dank der Ouroboros-Gesellschaft konnte er seine finsteren Geschäfte fortführen, während er darauf wartete, dass das einzige Mädchen, das er je geliebt hatte, den Weg nach New York fand und sich das Schicksal erfüllte, das er für sie vorgesehen hatte.
Adam mochte an die niedersten Begierden der menschlichen Seele appellieren, aber er hatte selbst eine Schwäche. Haven Moore. Vor zweitausend Jahren waren die beiden einmal verheiratet gewesen, aber Adams Furcht, sie zu verlieren, hatte ihn dazu getrieben, sie einzusperren. Mithilfe eines Dieners, in dem sie ihren Seelenverwandten finden sollte, entkam sie schließlich aus der Gefangenschaft, aber Adam hatte sich geweigert, sie kampflos aufzugeben. Stattdessen war er Haven durch unzählige Leben gefolgt, und es gab nur wenige Verbrechen, die er nicht ihretwegen begangen hatte.
In diesem Leben hatte Adam Haven ausfindig gemacht, als sie noch zu jung war, um vor ihm zu fliehen. Er hatte sie seit ihrem neunten Lebensjahr beobachtet, hatte sie beschützt und geduldig gewartet, dass sie volljährig wurde. Doch trotz all seiner Mühen hatten Haven und Iain auch diesmal zueinandergefunden. Um in Frieden miteinander leben zu können, hatten sie den Mann in Schwarz austricksen müssen. Haven hatte Adam davon überzeugt, dass sie ihren Seelenverwandten nicht mehr liebte, und Iain hatte seinen eigenen Tod inszeniert. In dem Glauben, er habe seinen Widersacher besiegt, versprach Adam Haven ein Leben in Freiheit. Er würde geduldig abwarten, bis sie wiedergeboren wurde, und sie dann wieder zu seiner Frau nehmen.
Dieses Versprechen hatte Adam ihr nur gegeben, weil er seinen Rivalen für tot hielt – und weil er glaubte, dass die Liebe, die Haven und Iain wieder und wieder zueinandergeführt hatte, endlich zerstört sei. Wenn Adam nun herausfand, dass Iain noch am Leben war – wenn er herausfand, dass sie sich noch immer liebten und gemeinsam in Italien lebten –, wären die Folgen unabsehbar. Vor Iains »Tod« hatte Adam ihm den Mord an einem Musiker namens Jeremy Johns angehängt. Ein Anruf bei der Polizei und Iain würde sich vielleicht lebenslänglich hinter Gittern wiederfinden. Aber wenn Adam Rosier sich wirklich in Florenz aufhielt, war eine Verhaftung ihre geringste Sorge. Falls Iain jedoch sterben sollte, konnte niemand sagen, wie lange es dauern würde, bis er und Haven sich wiederfänden. Schon ein Jahr ohne ihn wäre furchtbar. Ein ganzes Jahrhundert wäre eine Tortur.
Darum war Haven überrascht darüber, Iain reden zu hören, als wäre Adam keine Bedrohung mehr für sie. Als könnte ein Ozean ihn von ihr fernhalten. Haven wusste, dass sie ihm nicht endgültig entkommen waren. Adam selbst mochte zwar in New York geblieben sein, aber ein Teil von ihm folgte Haven, wohin auch immer sie ging. Oft erschien er in ihren Träumen von der Vergangenheit. Haven konnte sich selten an Einzelheiten erinnern, doch eine schreckliche Tatsache konnte sie nicht verdrängen. Es waren nicht immer böse Träume.
Die Angst hatte ihre Sinne geschärft, und so hörte Haven das Motorengeräusch der Vespa lange, bevor der Scheinwerfer zu sehen war. Der Roller tauchte an der Kreuzung ein Stück vor ihnen auf und blieb ein bisschen zu lange vor dem Stoppschild stehen, ehe er schließlich in ihre Richtung kam. Haven und Iain blinzelten in dem grellen Licht und blieben stehen, um das Fahrzeug vorbeizulassen. Als die Vespa vorbeiknatterte, konnte Haven nur mit Mühe einen Fluchtimpuls unterdrücken. Das letzte Mal, als Iain und sie dem Tod ins Auge geblickt hatten, war er in Form von zwei OG-Mitgliedern auf einem Motorrad herangerast gekommen. Aber die Person auf der Vespa war keiner von Adams Grauen – es war ein junges Mädchen mit einem langen braunen Mantel und Motorradstiefeln. Sie trug keinen Helm oder irgendeine andere Kopfbedeckung, und die Schneeflocken funkelten in ihrem blonden Haar wie Diamantenstaub. Die Vespa wurde langsamer, und das Mädchen warf Haven einen langen Blick zu. Für Iain schien sie sich nicht zu interessieren. Selbst in dieser Finsternis kam Haven irgendetwas an dem Mädchen bekannt vor. Sie wusste, dass sie sich irgendwann in der Vergangenheit begegnet sein mussten, und das Grinsen im Gesicht der anderen verhieß, dass auch sie sich dessen bewusst war.
Ein paar Straßen weiter konnten sie den Motor der Vespa noch immer hören. Das Knattern brachte Haven dazu weiterzulaufen, obwohl sie vor Kälte kein Gefühl mehr in den Füßen
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