Alles Ist Ewig
wandeln?
»Ich war fünfundzwanzig, als ich Iains Vater kennenlernte, und siebenunddreißig, als wir uns scheiden ließen. Als er mit mir fertig war, war nicht mehr viel übrig. Das sind also wie viele Jahre meines Lebens? Zwölf? Ich glaube, ich habe mehr verdient als das, was er mir vermacht hat. Meinen Sie nicht auch?«
»Dazu kann ich nichts sagen«, gab Haven zurück. »Es war die Entscheidung Ihres Sohns, mich zu seiner Haupterbin zu machen. Ich hätte gedacht, dass Sie seine Wünsche respektieren. Aber …«
»Meines Sohns?« Die Bezeichnung schien Virginia Morrow zu amüsieren. »Iain Morrow war niemals mein Sohn. Ich weiß bis heute nicht, was er überhaupt war. Können Sie sich das auch nur im Entferntesten vorstellen? Ihren Körper und Ihre Freiheit zu opfern, um ein Kind zu bekommen, nur um dann, kaum dass es zu sprechen anfängt, feststellen zu müssen, dass es gar nicht wirklich Ihres ist? Ein Kind, das sagt, es hätte schon andere Mütter gehabt – Dutzende. Und als es älter wird, erklärt es Ihnen, dass Sie die schlechteste von allen sind. Und Sie nennen ihn meinen Sohn? Der Junge war ein Wechselbalg. Irgendjemand hat mir mein Baby gestohlen und diese Kreatur an seiner Stelle zurückgelassen.« Als sie ihre Tirade beendet hatte, war Virginias Mund vor Bitterkeit verzogen.
»Ich weiß nicht, wie Sie so etwas sagen können. Iain muss sie geliebt haben. Sie waren seine Mutter .«
»Sie verwechseln da wohl lieben und brauchen . Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, Haven. Und wie ich schon sagte, er ist nie wirklich mein Sohn gewesen.«
»Natürlich ist er Ihr Sohn! Er sieht ja sogar aus wie Sie, wenn schon sonst nichts zählt.« Die Worte waren kaum aus ihrem Mund, als Haven klar wurde, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
»Er sieht aus wie ich?« Virginia trank einen Schluck aus ihrem Glas, und ihr Gesicht verfiel wieder in seine vorherige Starre. Haven fragte sich, wie viel Scotch wohl nötig war, um die Dämonen in ihrem Inneren zu bändigen. »Interessante Tempuswahl. Und jetzt sehen Sie mich nicht so angewidert an, Miss Moore. Sie mögen mich für ein Ungeheuer halten, aber Sie sind selbst kein Stück besser als ich. Sie werden Iain noch mehr wehtun, als ich es getan habe.«
»Sie kennen mich doch überhaupt nicht!« Jetzt hatte die Frau Haven endgültig zur Weißglut gebracht.
»Oh doch. Ich kenne Sie sogar besser, als Sie es sich je vorstellen könnten. Sie hatten schon viele Namen. Constance. Cecile. Bao. Beatrice. Aber Sie sind immer dieselbe.«
»Woher …«
»Glauben Sie, ich habe meinen kleinen Wechselbalg vernachlässigt? Glauben Sie, ich habe ihm nicht zugehört, als er anfing, seine Geschichten zu erzählen? Schon mit drei Jahren war Iain ein eigenartiger Junge. Egal, wo wir mit ihm hingingen, er versuchte jedes Mal auszureißen. Irgendwann haben wir dann den Grund dafür herausgefunden. Er erzählte meinem Mann, dass er nach jemandem suche, den er aus seinen früheren Leben kenne. Wie Sie sich vorstellen können, hat Jerome ihn gleich am nächsten Tag zum Psychiater geschleift. Es hat ein paar Sitzungen gedauert, aber nach einer Weile hat Iain dem Arzt alles erzählt. Von einem Mädchen, dass er unbedingt finden müsse. Er behauptete, dass noch jemand nach ihr suche. Und dass er sie dringend finden müsse, bevor sein Rivale die Gelegenheit bekäme, sie für sich zu gewinnen.«
»Gewinnen?« Haven hoffte, dass ihr Lachen ihr Entsetzen überspielte. Hatte Iain Adam Rosier wirklich als seinen Rivalen angesehen? »Ich bin doch keine Trophäe.«
Virginia schien zu ahnen, dass sie Havens wunden Punkt getroffen hatte. »Vielleicht waren das nicht Iains genaue Worte. Aber er schien davon überzeugt zu sein, dass es noch einen anderen gab. Einen Mann, für den Sie sich an seiner Stelle entscheiden könnten. Er hatte furchtbare Angst, dass Sie ihm eines Tages das Herz brechen würden.«
»Das ist ja das Lächerlichste, was ich je gehört habe«, schnaubte Haven, doch der Gedanke begann sich schon tief in ihr Bewusstsein zu graben. »Ich könnte Iain nie das Herz brechen.«
»Lächerlich, meinen Sie?«, fragte Virginia. »Die meisten Menschen kennen ihren Postboten besser als sich selbst. Sie haben keine Ahnung, wozu sie fähig wären. Glauben Sie etwa, viele Menschen denken von sich, sie könnten einen Mord begehen? Oder das Herz ihres Ehepartners brechen? Oder ihre Karriere mithilfe einer Palette Eier und einem Schinken zerstören? Selbstverständlich nicht. Wir alle
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