Alles ist grün
das ernst. Und ich glaube, er liebt mich immer noch.«
›Und was soll das damit zu tun haben?‹
»Ich hab das Gefühl, das ist das Wichtigste dabei. Ich hab hinter diesem dreckigen alten Herd solche Angst, dass ich keine Luft mehr kriege. Ich klappere mit Werkzeugen.«
›Liegt es daran, dass du die hübsche alte Frau liebst und Angst hast, einen Herd beschädigt zu haben, den sie schon vor Kennedy hatten?‹
»Aber ich glaube, wenn er das Gefühl hat, jemanden zu lieben, bekommt er Angst.«
»Das ist ein absolut primitives Gerät.«
›Wem hast du sonst noch geschadet?‹
»Meine Tante kommt hinter den Herd, stellt sich hinter mich, späht in die aufgeräumte schwarze Herdhöhle und sagt, das sieht aus, als hätte ich ganz schön geschuftet! Ich deute mit dem Schraubenzieher auf den verdreckten Stromverteiler und sage nichts. Ich stochere mit dem Schraubenzieher daran herum.«
›Wovor hast du Angst?‹
»Aber ich glaube nicht, dass er so verletzt werden muss. Egal, was passiert.«
»Ich glaube, hinter dem Herd da, als sich meine Tante hinkniet und mir die Hand auf die Schulter legt, habe ich Angst vor der ganzen Welt.«
›Na dann willkommen.‹
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Sag nie
LABOV
Etwas, das keinen Spaß macht? Magenschmerzen. Glauben Sie nicht? Fragen Sie Mrs. Tagus hier, die erläutert Ihnen das Problem. Was mich angeht: keine Magenschmerzen. Ein Magen aus robusten Elementen wie Stein. Arthritis ja, Magenschmerzen nein.
Der Tee lindert Mrs. Tagus’ Magenschmerzen nicht. »Diese Beschwerden, Mr. Labov!«, sagt sie zu mir in der Küche meiner Wohnung, wo wir gerade sind. »Entschuldigen Sie bitte mein ständiges Klagen«, sagt sie, »aber ich habe den Eindruck, bei allem, was mir dieser Tage auch nur ein winziges bisschen Sorgen macht, bildet mein Magen automatisch eine Faust!« Sie ballt die Hand in der Luft zur Faust, in ihrem Mantel, beugt sich dann vor und bläst auf ihren kochend heißen Tee, der in der kalten Luft meiner Küche gewaltig dampft. »Und jetzt dieser Schlamassel«, sagt Mrs. Tagus. Sie statuiert ein Exempel mit der Faust in der Luft, und ich beneide diese energische Geste, weil ich jeden Tag und besonders in diesen Wintern die Arthritis in den Gliedern habe; aber ich verleihe nur meinem Mitgefühl mit dem Magen von Mrs. Tagus Ausdruck, die meine beste und engste Freundin ist, seit vor sieben Jahren in einem Abstand von drei Monaten meine selige Frau und dann ihr seliger Mann entschlafen sind, sie mögen ruhen in Frieden.
Ich bin Schneider. Labov, der Schneider von der Northside, der alles schneidern kann. Jetzt im Ruhestand. Ich habe den Waschbärmantel ausgewählt, zugeschnitten, angepasst, genäht und geschneidert, den Mrs. Tagus seit Jahren und auch jetzt in meiner Küche trägt, die mein Vermieter ebenso kalt lässt wie den Rest dieser Wohnung, in die meine selige Frau Sandra Labov und ich unter Präsident Truman eingezogen sind.
Der Vermieter möchte Labov raushaben, damit er einem jüngeren Menschen mehr Miete abknöpfen kann. Aber er sollte wissen, niemand weiß besser als ein Schneider, dass es sich in einem sorgfältig genähten Mantel mühelos auf den Frühling warten lässt. Die Fähigkeit zu warten war schon immer eine meiner Fähigkeiten.
Ich habe auch den dicken Regenmantel mit einem Futter aus verschiedenen Pelzsorten geschneidert, worin Mrs. Tagus’ verstorbener Ehemann und mein enger Freund Arnold Tagus im August vor acht Jahren beerdigt worden ist.
»Lenny«, hat Mrs. Tagus ihrem Tee zugemurmelt. Keine Faust ist mehr in der Luft; sie wärmt sich die Hände an der Notfalltasse Tee. »Lenny«, sagt sie, und die Wärme, die sie mit den trockenen Händen umfasst, lenkt sie von mir ab.
Lenny ist Mr. und Mrs. Tagus’ Sohn, Lenny Tagus. Es gibt noch einen jüngeren Sohn, Mike Tagus. Was mich angeht: kinderlos. Mrs. Labov hatte Probleme mit dem Kinderkriegen, derentwegen ich sie nicht weniger liebte, als wir es herausfanden. Aber keine Kinder. Aber die Labovs und alle Taguses sind so. Stehen sich nahe. Ich habe die Tagus-Jungen aufwachsen sehen. Lenny und Mike, ihr ganzer Stolz.
Kennen Sie diese Menschen, die gleich mit allem herausplatzen? Mrs. Tagus ist kein solcher Mensch. Ihr liegt etwas auf der Seele: Sie druckst herum, hier eine Geste, dort ein Wort, vielleicht ein Seufzer; sie formt es in sich wie ein weiches Material, Lehm beispielsweise, und man muss geduldig mit ihr den Lehm kneten, damit es ans Licht kommt.
Was mich angeht: Ich platze gleich damit heraus, wenn
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