Alles ist grün
vorbereiten muss, und ich gehe bei dem Wind garantiert auch nicht raus, so wie sich das Ohr in letzter Zeit aufführt, und sie bringt den Herd nicht in Gang. Sie fragt, ob ich mir den Herd vielleicht kurz mal anschauen könnte.«
»Ich habe keine Angst vor Neuem. Ich habe nur Angst davor, mich sogar dann allein zu fühlen, wenn jemand da ist. Ich habe Angst davor, mich schlecht zu fühlen. Das ist vielleicht egoistisch, aber so fühl ich mich nun mal.«
»Der Herd spielt auch tatsächlich verrückt. Die Kochplatten reagieren nicht. Meine Tante sagt, hinten am Herd hat sich so ein elektrisches Dingsda gelockert, und mein Onkel bringt das immer wieder in Gang, aber der kommt jetzt erst nach Hause, wenn sie schon in ihrem Kurs sitzt, und dann kann das Chili nicht noch köcheln, durchziehen und lecker werden. Sie sagt, wenn mein Ohr davon nicht wehtut, könnte ich dann mal versuchen, den Herd in Gang zu bringen? Es ist schließlich nur so ein elektrisches Dingsda. Kein Problem, sage ich. Sie holt den Werkzeugkasten meines Onkels aus dem Schrank an der Kellertür. Ich greife hinter den riesigen, hässlichen alten weißen Herd, ziehe den Stecker raus und rücke ihn von der Wand und dem neuen Geschirrspüler weg. Ich nehme einen Kreuzschlitzschraubendreher aus dem Werkzeugkasten meines Onkels und schraube die Rückwand vom Herd ab. Der Herd ist so alt, dass ich nicht mal einen Herstellernamen finden kann. Das ist vielleicht das primitivste Küchengerät, das je entwickelt wurde. Das Herdanschlusskabel wird von einer uralten Stoffumwicklung mit winzigen roten Doppelspiralen drauf isoliert. Das Kabel leitet nur normalen 220-Volt-Hauswechselstrom in einen Fünferverteiler unten im Herdanschlussraum. Bündel aus dicken, unhandlichen Drähten führen aus jedem der vier Kochplattenregler und von der Temperatureinstellung des Backofens zu den Klemmen des Stromverteilers. Die Regler bestimmen die Temperatur am jeweils ausgewählten Punkt durch direkte Kontakte und leiten den Wechselstrom in die jeweilige Kochplatte, die aus einem simplen geerdeten, hochohmigen Heizelement besteht, das, erneut durch simplen Kontakt, Hitze in die schwarze Eisenspirale der eigentlichen Kochplatte leitet. Der Wirkungsgrad ist garantiert nicht besser als 3/2. Unter den Kochplatten gibt es nicht mal Reflektoren. Ich sage meiner Tante, dass das ein alter, schlechter und energieineffizienter Herd ist. Siesagt, sie weiß, und es tut ihr leid, aber sie hatten ihn schon vor Kennedy und behalten ihn aus sentimentalen Gründen, und dieses Jahr kam nur entweder ein neuer Herd oder ein neuer Geschirrspüler infrage. Sie sitzt am Küchentisch in der Sonne, geht Zeitformen von Verben durch und entschuldigt sich für ihren Herd. Sie sagt, das Chili muss bald köcheln und durchziehen, wenn es das überhaupt zum Mittagessen geben soll; ob ich glaube, dass ich das Dingsda reparieren kann, oder soll sie doch schnell zum Laden laufen und was Kaltes holen.«
»Ich habe nur einen Brief bekommen, seit er gefahren ist, und da steht nur drin, wie sehr er dieses eine Bild von mir hütet, und ob ich glaube, dass er es küsst? Er hat mich nicht gern geküsst. Das hab ich gefühlt.«
»Die isolierten Kabelstränge scheinen mit den Heizelementen ihrer jeweiligen Kochplatte gut verbunden zu sein, also muss ich jeden Strang von der Klemme am Stromverteiler lösen und diesen selbst prüfen. Der Schaltkreis ist uralt und zu schmierig und primitiv und mickrig, als dass man irgendwas mit Sicherheit sagen könnte, aber der Wechselspannungseingang und die Herdplattenausgänge scheinen frei von Unterbrechungen zu sein, und Abscherungen oder falsche Anschlüsse sind auch nicht zu entdecken. Meine Tante konjugiert französische ir- Verben im Imperfekt. Sie hat eine leise Stimme. Eigentlich ganz hübsch. Sie sagt: ›Je venais, tu venais, il venait, elle venait, nous venions, vous veniez, ils venaient, elles venaient.‹ Ich stecke tief in den Eingeweiden des Herds, als sie sagt, mein Onkel hätte mal erwähnt, da müsste nur eine Schraube angezogen werden oder man müsste mal mit der Faust irgendwo draufhauen. Das ist nicht besonders hilfreich. Ich ziehe die rostigen Schrauben am Stromverteilergehäuse fest, verbinde wieder Steckerkabel und Klemme und will gerade auch die Kabelstränge von den Kochplatten wieder festmachen, da sehe ich, dass die Kabelstränge, Bündelummantelungen und Klemmen am Stromverteiler so alt, abgenutzt und schmierig sind, dass ich unmöglich sagen kann, welches
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