Alles ist grün
man älter wird und mehr Welt hinter einem liegt und weniger vor einem, aber sehr wenige Angehörige unserer Generation finden diesen Tausch attraktiv, könnte ich wetten. Dr. Ambrose höchstpersönlich hatte Mark Nechtr bei Bier und Blüten im East Chesapeake Tradeschool Student Union Bar & Grill erklärt, das Problem der jungen Leute bestehe seit irgendwann in den 1960ern darin, dass sie allzu intensiv nur in ihrem eigenen sozialen Augenblick lebten und daher dazu neigten, jede Existenzform jenseits der dreißig oder so irgendwie postkoital zu finden. Danach entspannten sie sich, lehnten sich gemütlichzurück, die traurigen Tiere, und sähen – und sähen ein, wie Ambrose selbst erst nach harten künstlerischen und akademischen Erfahrungen eingesehen habe –, dass das Leben nicht nur als nicht jugendfrei eingestuft werde, sondern oft genug überhaupt nicht in den Vertrieb gelange. Sei halt zu langsam.
Unterdessen ist hier im unteren Terminal, in der Nähe vom Bodentransport, seltsamerweise schon wieder so ein gut gekleideter junger Mann, jung, bärtig und gepflegt, der Geld verschenkt, was das Zeug hält, und dabei etwas auf einem Klemmbrett abhakt, das so prall ist, dass seine schlanken Hände Mühe haben, alles zusammenzuhalten. Mark geht auf ihn zu. Er will den Schmu verifizieren; er hat das Gefühl, er hat rausgefunden, was das für Typen sind: Mormonen, das ist irgend so eine irritierend altruistische Mormonenkiste. Er will der Sache auf den Grund gehen, bevor er D. L. ihre Visa-Karte gibt, aber D. L. ist gereizt, kommt vom Dalmane runter, einem Mittel aus der Valiumfamilie. Ein überraschend schepperstimmiger Streit über Flugpläne, Zuverlässigkeit und Verspätungen schließt sich an, und wer in puncto diverser Reinfälle wofür verantwortlich sei. Eine dieser öffentlichen Streitigkeiten zwischen Eheleuten, bei denen ein höflicher Mensch weghört.
EINE KRASSE UND AUFDRINGLICHE UNTERBRECHUNG
Wie bereits erwähnt – und wenn es sich hierbei um ein Stück Metafiktion handelte, was NICHT der Fall ist, würde wahrscheinlich die genaue Zahl der Zeilen im Schriftsatz erwähnt, die zwischen diesem Verweis und dem Verwiesenen lägen, was ein stattliches Nervensägewerk wäre, ganz zu schweigen von großspurig, denn damit würde impliziert, dass der geradlinige und arabeskenfreie Bericht eines langsamen, heißen, übermüdeten und alles in allem verklumpten und frustrierenden Tages im Leben dreier Jugendlicher, die allesamt nicht sehr sympathisch sind, tatsächlich veröffentlicht werden könnte, wozu man heutzutage doch nur Hals- und Beinbruch wünschen kann, aber in einer Metafiktion würde, nein müsste es sogar erwähnt werden, denn eine verbindliche postmoderne Konvention will die emotionale Aufmerksamkeit des armen alten Lesers auf die Tatsache ziehen, dass die gekaufte, bezahlte und jetzt unter zeitaufwendiger Kenntnisnahme befindliche Erzählung de facto nicht ein nahezu inexistentes Fenster zu einer anderen und wahrhaft unterhaltsamen Welt sei, sondern vielmehr ein »Artefakt«, ein Objekt, ein schlichter, alter, diesseitiger Gegenstand aus emulgiertem Zellstoff, einem horizontal angeordneten Letternballett aus Tinte sowie Konventionen, in einem ›tieferen‹ Sinne also nur die undurchsichtige Fälschung eines verklärenden Fensters, kein echtes Fenster, ein Gag, und damit in einem tieferen (jetzt aber intentionalen ) Sinn künstlich, solle heißen fabriziert, falsch, eine Fiktion, ein Statusanwärter, ein strohhaariger König von Frankreich – wobei diese selbstbewusste Offenlegung, diese dekonstruierte Enthüllung die besagte Metafiktion angeblich »realer« mache als ein Text des vorpostmodernen »Realismus«, der auf bestimmte antiquierte Techniken angewiesen sei, um die »Illusion« eines fensterlichen Zugangs zu einer »Realität« zu kreieren, die der unseren isomorph sei, aber die Einsicht in höhere Wahrheiten erlaube, der gegenüber alle authentischen Menschen im Verhältnis von Bittstellern stünden – all das verspreche der wiederauferstandene Realismus, das gequälte Produkt ruhmlos minimalistischer Arbeit in zahllosen über die Vereinigten Staaten von Amerika verteilten obskuren universitären Schreib-Workshops, der von Feldmarschall Lish (der es schließlich wissen muss) Neo realismus genannt werde, als einen einzigen Firlefanz zu dekuvrieren, diesenmetafiktionalen Scheiß … und zwar naiven firlefanzverzierten Scheiß, der auf mindestens ebenso vielen »impliziten
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