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Alles kam ganz anders

Alles kam ganz anders

Titel: Alles kam ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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allernördlichsten Schleswig-Holstein. Sie ist auf dem Lande aufgewachsen, hat selbst einmal, als ihr Mann noch lebte, eine kleine Landwirtschaft gehabt. Sie ist ein ruhiger, nüchterner Mensch, weder impulsiv noch strahlend aufgeschlossen, sie ist eher wortkarg, und lächeln ist bei ihr eine Seltenheit. Aber sie ist ein Mensch, auf den man sich verlassen kann, ein Mensch, der immer hilft, wo Hilfe nötig ist. Sie sagt nicht viel, aber sie handelt. Und das wenige, was sie sagt, hat Hand und Fuß. Sie ist vernünftig, hat in einem langen Leben viele Erfahrungen gesammelt und ist immer diejenige, die einen Rat weiß, wenn jemand einen Rat braucht.
    Also, bei ihr wohnten wir einige Wochen. Sie war es, die Mutti dazu half, eine Halbtagsstellung zu bekommen. Mutti hatte vor ihrer Heirat die Handelsschule besucht und bekam jetzt Arbeit als Kassiererin in einem Supermarkt in Flensburg. Dort kam ich zur Schule. Ja, das war auch so eine Sache. Ich war mit fünf in Avignon in die Schule gekommen und bin gern zur Schule gegangen. Bei der Aufnahmeprüfung in Flensburg zeigte es sich, daß ich schon für eine Klasse reif war, in der die anderen ein Jahr älter waren als ich.
    Damit fingen vielleicht die Schwierigkeiten an. Ich kam aus ganz anderen Verhältnissen, ich kannte einen anderen Ton, andere Umgangsformen, andere Sitten und Gebräuche. Es war schwer, sich in all dem Neuen zurechtzufinden. Ich wurde oft geneckt und gehänselt und ausgelacht. Ich konnte mich nur in einem Punkt behaupten: daß ich eine gute Schülerin wurde.
    Nun, allmählich ging es besser, ich bekam Freundinnen und fing an, mich in Flensburg zu Hause zu fühlen. Dann wurde Mutti nach Hamburg versetzt. Das heißt, man bot ihr eine bessere Stellung in einem größeren Supermarkt in Hamburg an. Mutti ist tüchtig, verstehst du! Sie arbeitet schnell, konzentriert und fehlerfrei, und ihre französische Höflichkeit half ihr dazu, beliebt zu werden. Diese besondere Form der Höflichkeit hatte sie sich während ihrer Ehejahre in Avignon angeeignet.
    Also zogen wir nach Hamburg, wir bekamen sogar eine nette Zweizimmerwohnung. Mutti arbeitete nach wie vor nur halbtags, das ging, weil sie ja durch mich keine Ausgaben hatte. Für mich sorgte mein Vater. Ich besuchte ihn und seine neue Familie jeden Sommer. Ich ergänzte dadurch meine Französischkenntnisse – die Sprache war mir ja geläufig, aber der Wortschatz einer Zwölfjährigen reicht ja nicht immer aus. In seiner zweiten Ehe hat mein Vater den heißersehnten Sohn bekommen und außerdem eine zweite Tochter.
    Nein, jetzt muß ich mich kürzer fassen, sonst werde ich nie fertig! Langweilt es dich, Elaine?“
    „Was? Langweilen? Ich höre ja zu mit Ohren und Augen und Kopf und Seele! Ich bin nur gespannt auf…“
    „Ich weiß genau, worauf du gespannt bist, es kommt gleich. Also, ich war wieder in einer neuen Stadt und in einer neuen Schule, wieder die Jüngste der Klasse und eigentlich eine Außenseiterin. Ich hatte das Gefühl, daß meine Mitschülerinnen mich nicht für voll nahmen, ich war jünger und eine Fremde. Sie tuschelten und flüsterten und erzählten von ihren Freunden – als sie sechzehn waren und ich fünfzehn, hatten sie alle Freunde. Ich war jung und klein und dumm und unerfahren, fremd in der Stadt, neu in der Schule – verstehst du, wie mir zumute war. Elaine?“
    Ich nickte. „Ja. ich verstehe es sehr gut.“
    „Dann kam das Jahr, in dem ich sechzehn wurde- oder werden sollte. Mein Vater schrieb, daß es dieses Jahr mit meinem Sommerbesuch nicht passen würde, aber vielleicht hätte ich Lust, in den Osterferien zu kommen?
    Also fuhr ich auf Osterbesuch in die Provence.
    Kennst du den Frühling in der Provence? Oh, er ist unwahrscheinlich schön! Rosen und Kastanien blühten schon, die Parks waren wie eine Explosion in Farben! Und ich fühlte mich zu Hause unter Menschen, die ich kannte, ich traf ein paar alte Schulkameraden wieder. Ich traf auch andere junge Leute. Ich traf Jean-Louis.“
    „Der war es also“, sagte ich.
    „Ja. Der war es. Er saß neben mir im Bus auf einem Ausflug nach Arles. Wir kamen ins Gespräch, er war wahnsinnig nett – und so hübsch! Ach, Elaine, wie das alles sich entwickelte, brauche ich gar nicht zu erzählen. Solche Bekanntschaften und die Zuneigung, die daraus entsteht, das ist alles so alt wie die Menschheit selbst.
    Natürlich war ich verliebt. Aber wenn ich jetzt zurückdenke, wird mir etwas anderes klar. Das war nicht nur Verliebtheit. Es war auch

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