Alles kam ganz anders
nach Hannover!“
„Oh. das wäre wunderbar!“ sagte Simone. „Aber…“
„Aber was? Haben Ihre Kamele und Krokodile – ach nein, es sind ja Wellensittiche und Zierfische, war es nicht so? Also, verhungern sie bis elf Uhr morgen vormittag?“
„Nein, das nicht, sie haben reichlich Futter bekommen. Aber es macht doch so viel Mühe für Sie, plötzlich zwei Übernachtungsgäste…“
„Oh. prima!“ rief ich. „Das ist das einfachste auf der Welt, Simone! Für Titine stellen wir Marcus’ altes Gitterbettchen auf, und ich habe doch so eine Schlafcouch, aus der man ruck, zuck zwei Betten machen kann! Papa, du hast ab und zu wirklich geniale Ideen, man merkt direkt, daß du mein Vater bist!“
„Das wirst du gleich in einer ganz anderen Weise merken, falls du unverschämt bist! Lauf nun schnell zu deiner schwergeprüften Mutter und gib ihr Bescheid, und mach Grand-mère die Freude, ihr mitzuteilen, daß sie auch morgen ein sehr schönes Frühstück machen darf!“
Simones Proteste wurden immer schwächer – ich sah es ihr auch an, wie riesig sie sich über diese verlängerte Einladung freute. Oh, wie herrlich, jetzt konnten wir einen gemütlichen Abend zusammen haben, und vor allem: heute abend, wenn wir zu Bett gegangen waren, konnte Simone mir den Rest ihrer traurigen Geschichte erzählen!
Oder – ist traurig vielleicht nicht das richtige Wort? Eine Geschichte, die mit der Geburt eines gesunden, entzückenden Kindes endet, kann man ja nicht traurig nennen!
Der Abend wurde wirklich reizend. Wir plauderten so nett, Simone erzählte von Frankreich, wir erzählten etwas von Norwegen und von der Schweiz und selbstverständlich auch über unser Erlebnis mit Biskens Mutter Cora, die wir als ausgesetzten Hund gefunden hatten, wie wir sie behielten, und wie ich Hebamme sein mußte, als Bisken geboren wurde. Und natürlich auch, wie ich Cora zu verdanken hatte, daß ich meinen Ingo kennenlernte!
Aus Rücksicht auf Grand-mère wurde die ganze Zeit französisch gesprochen, was uns drei Frauen keine Schwierigkeiten machte. Papa konnte ab und zu nach einem Wort suchen oder die Grammatik ein bißchen durcheinanderbringen, aber Marcus, der Ärmste, war hilflos. Er wußte sich aber zu trösten: Es gab ein Fußballspiel im Fernsehen, er montierte mit geübter Hand den Kopfhörer an, schaltete den Lautsprecher aus und störte uns nur ein paarmal mit einem lauten, begeisterten Aufschrei.
„Toooor!“
Nach dem Spiel wurde er ins Bett geschickt. Jetzt in den Ferien durfte er bis neun Uhr aufbleiben, sonst mußte er Punkt acht schlafen gehen.
Titinchen schlief schon fest im Gitterbettchen, das wir in mein Zimmer gestellt hatten.
Nach dem Fußballspiel stand Papa auf, um das Fernsehen auszuschalten, aber er blieb stehen – da kamen so wunderbare Aufnahmen aus den Schweizer Alpen. Grand-mère machte große Augen.
„Oh. laß es doch laufen, mon ami! Und stell den Ton an… ach nein, davon verstehe ich ja doch nichts…“
Dann setzte Simone den Kopfhörer auf, horchte konzentriert – und übersetzte den Begleittext. Satz für Satz, ins Französische. Es ging beinahe fließend, ganz selten mußte sie ein Wort suchen, ein paarmal wurde die Wortstellung ein bißchen unkorrekt, aber im großen und ganzen ging es sehr gut. Und Grand-mère war entzückt.
„Merveilleux!“ rief sie, als der Film zu Ende war und Simone den Kopfhörer weglegte. „Jetzt verstehe ich, warum Sie Simultandolmetscherin werden wollen!“
„Wollte“, sagte Simone mit einem kleinen, traurigen Lächeln. „Daraus wird ja nichts.“
„Natürlich muß etwas daraus werden!“ rief Grand-mère eifrig. „Sie müssen nur warten, bis Titine groß genug für den Kindergarten ist. Inzwischen müssen Sie Geld sparen und das Abitur nachmachen, und dann kann es losgehen!“
„Welches Geld soll ich sparen?“ fragte Simone.
„Das, was Sie erhalten werden, wenn wir alle unsere Köpfe zerbrochen und zuletzt herausgefunden haben, wie Sie inzwischen etwas verdienen können! Setzen Sie sich eben das feste Ziel, entschließen Sie sich dafür, diese Ausbildung zu machen! Alles im Leben geht leichter, wenn man bewußt für ein bestimmtes Ziel arbeitet. Sagen Sie mal“, Grand-mères Augen wurden jung und leuchtend wie immer, wenn sie eine gute Idee hat. „haben Sie jemals versucht, in einem Kinderheim eine Anstellung zu kriegen? Dorthin könnten Sie ganz sicher Titine mitnehmen. Sie hätten Unterkunft und Essen, anfangs wohl kaum sehr viel Gehalt, aber
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