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Alles kam ganz anders

Alles kam ganz anders

Titel: Alles kam ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Rückenschmerzen kaum noch aufrichten konnten!
    Nach zwei Tagen saßen wir da, ohne Verbindung mit der Außenwelt. Wir froren wie die Schneider, unsere Vorräte gingen zu Ende. Wir hatten einen einzigen warmen Raum im Haus, das war die Küche, in der noch zum Glück der alte Kohlenherd stand. Etwas Holz und Kohle gab es noch im Schuppen, und ich war es, die den Weg dorthin schippen mußte. Ach. was sich alles so abspielte, das weißt du bestimmt noch. Ich kann dir sagen, es war kein Vergnügen, mittendrin zu sitzen! Aber eins lernte ich: was gute Nachbarschaft bedeutet! Eine Nachbarin hatte etwas Hefe, eine andere hatte noch Mehl, und dann hieß es Brot backen für drei Familien! Wir konnten mit Kartoffeln aushelfen, und Milch hatten wir in Hülle und Fülle, so viel, daß literweise jeden Tag weggegossen werden mußte. Die Milch konnte ja nicht zur Meierei transportiert werden! Ein Nachbar mußte seine Schweine notschlachten, sonst wären sie erfroren. Ja, dann aßen wir Schweinefleisch und tranken Milch und mußten das Brot rationieren. Und wir wohnten in der Küche, in der es einigermaßen warm war.
    Das einzige, das noch funktionierte, war das Telefon.
    Und es schneite immer weiter. Wir wußten nicht, wie weit diese Katastrophe verbreitet war, wir hatten ja weder Fernsehen noch Radio, und Zeitungen erst recht nicht.
    Dann, am sechsten Januar, setzten bei mir die Wehen ein, ich hatte mich wohl mit dem Schneeschippen überanstrengt.
    Mit anderen Worten, das, was ich befürchtet hatte, geschah. Ich konnte nicht ins Krankenhaus, und kein Arzt konnte zu uns kommen. Ich mußte mein Kind hier zur Welt bringen, und ich hatte überhaupt kein Babyzeug, keine Aussteuer für das kleine Würmchen. Es war mir ja gesagt worden, dafür sei gesorgt, ich sollte das Kind gebären – und versuchen, es zu vergessen.
    Tante Hedwig war großartig! Sie bettete mich auf die Couch im Wohnzimmer und ließ die Tür zur Küche offen, damit etwas von der Küchenwärme ins Zimmer kam. Kannst du dir denken, eine Geburt bewältigen zu müssen ohne elektrisches Licht, ohne fließendes warmes Wasser – jedes Tröpfchen mußte auf dem Kohlenherd heiß gemacht werden! Bald interessierte mich das alles nicht mehr, ich lag da und schrie wie ein Tier! Tante Hedwig stand in Telefonkontakt mit dem Arzt – im Krankenhaus hätte man mir bestimmt eine Narkose gegeben, denn es war eine schwere Geburt. Endlich, endlich am späten Abend war es soweit. Dann war ich so erschöpft, daß ich kaum sah, wie Tante Hedwig etwas Kleines, Lebendiges in ein Tuch wickelte und in die Küche trug.
    Tante Hedwig war phantastisch. Sie sagte sehr wenig, aber sie kümmerte sich rührend um mich. Am folgenden Tag, als ich wie eine Tote geschlafen hatte und mich etwas besser fühlte, sagte sie mir ruhig und nüchtern wie immer, sie hätte die Klinik benachrichtigt, und sie würde das Kind pflegen, bis die Straßen frei wären, dann würde sie es hinbringen.
    Die gute Nachbarin hatte ihr Babyzeug und Fläschchen geborgt, und das Kind war in einer Ecke in der großen molligen Küche in einen Wäschekorb gebettet. Und jetzt sollte ich mich um nichts kümmern, ich hätte alles Schwere hinter mich gebracht.
    Auf meine Frage ‚Junge oder Mädchen’ wollte sie zuerst nicht antworten, aber ich ließ nicht locker, und zuletzt sagte sie dann, daß es ein Mädchen sei. Dann stand sie auf, stellte einen alten Petroleumofen in mein Zimmer und schloß die Tür zur Küche. Sie mußte zum Nachbarn zum Melken.
    Ich lag da ganz allein, ganz schrecklich allein. Mein Nachthemd war naß von all der Milch, die ausgesickert war, und die Brüste taten mir weh. Und da, auf der anderen Seite der Wand, lag mein Kind und wurde künstlich ernährt, mit Kuhmilch und irgendeiner Fabrik-Babynahrung.
    Ich versuchte« an etwas anderes zu denken, versuchte zu lesen. Dann hörte ich ein schwaches Schreien – ein Babyschreien. Ich zog die Decke über den Kopf, ich wollte nichts hören, ich mußte stark bleiben. Das Schreien wurde kräftiger, mir liefen die Tränen übers Gesicht – und dann war ich mit einem Satz aus dem Bett, etwas wackelig auf den Beinen – ich ging in die Küche, in die Ecke, in der das schön zurechtgemachte Körbchen stand. Ich nahm mein Kind, nahm es zu mir ins Bett, ich legte es an die Brust, führte die Brustwarze in den kleinen Mund – und das Baby trank, es trank gierig!
    In dem Augenblick wußte ich es: Nie, nie gebe ich mein Kind weg! Koste es. was es wolle, ich nehme alles auf

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