Alles nicht so einfach
schaden?
Ich vergrub mich in seinen Armen und ließ los. Ich stieß den grässlichsten aller Schluchzer aus, doch das war mir egal. Denn meine Fähigkeit, Gutes zu ruinieren, kannte keine Grenzen.
»Schon gut«, sagte Cade zu mir. »So schlimm war es doch nicht.«
»Nicht so schlimm?« Ich rieb mir die Augen, danach waren meine Hände schwarz verschmiert. »Im Vergleich zum Holocaust vielleicht. Im Vergleich zu anderen Trennungen war es ziemlich schlimm.«
Er spannte sich an. »Ihr zwei wart zusammen? Ich meine,
richtig
zusammen?«
»Eigentlich seit ein paar Wochen, bis ich alles zerstört habe.« Gott, kein Wunder, dass ich noch Jungfrau war. Ich musste in meinem letzten Leben Unmengen von Spiegeln zerbrochen haben. Entgegen allen Erwartungen hatte er mich tatsächlich gemocht. Trotz der Tatsache, dass ich beim Sex unter einem bescheuerten Vorwand davongelaufen bin. Trotz der Tatsache, dass ich noch immer nicht mit ihm schlafen wollte. Trotz der Tatsache, dass ich so schrecklich ungeschickt war. Er mochte
mich.
Ich fing wieder an zu schluchzen, weil das nicht fair war.
»Du magst ihn sehr, nicht wahr?«
Ich rang nach Atem und nickte. »Ja. Ich weiß, dass es verrückt ist. Und dumm. Aber, aber … wir haben uns kennengelernt, bevor er unser Dozent wurde, und ich kann das nicht einfach abschalten. Ich habe es versucht. Wir haben es versucht. Wahrscheinlich
muss
ich es jetzt abschalten.«
Cade wiegte mich hin und her, und auch wenn das nett von ihm war, fühlte ich mich dadurch jung und unreif. Unprofessionell, genau wie Garrick gesagt hatte.
»Er wird dir verzeihen«, sagte Cade. »Ich würde dir jedenfalls verzeihen.«
Ich wollte fragen, ob das bedeutete, dass Cade mir jetzt verzieh, aber meine Angst war zu groß. Deshalb blieb ich weiterhin in seinen Armen, weinte und schwieg, für den Fall dass es sich nur um eine vorübergehende Verschnaufpause handelte, für den Fall, dass das alles war, was ich kriegen würde.
Als wir das Studio verließen, war die Probe zu Ende und alle anderen waren schon weg. Er begleitete mich zu meinem Wagen und ich fing an zu hoffen … zu hoffen, dass jetzt alles okay wäre. Er küsste mich nicht auf die Wange, wie er das sonst gemacht hätte. Er legte mir die Hand auf die Schulter. Und obwohl es anders war, war es genug.
»Alles wird gut«, sagte er. Und ich hoffte, dass er damit
alles
meinte … das mit uns, mit Garrick, mit dem Leben.
Ich brauchte jetzt die Hoffnung, dass alles in Ordnung kommen würde.
22
Sobald ich nach Hause kam, überlegte ich, ob ich zu ihm gehen sollte, aber ehrlich gesagt hatte ich Angst. Und es war so viel leichter, mich einfach selbst zu bemitleiden. Ich hatte für genau solche Gelegenheiten eine Packung Chocolate-Chip-Cookie-Eis im Gefrierfach. Es wäre schön gewesen, es mit Kelsey zu teilen, aber ich konnte es mir nicht leisten, mein Geheimnis mit einer weiteren Person zu teilen, und ich war nicht selbstsüchtig genug, Cade noch mehr von meiner Selbstmitleidstour zuzumuten. Er versprach, es niemandem zu erzählen, und ich glaubte ihm.
Während ich am einen Ende der Couch saß, beobachtete ich Hamlet, die sich am anderen Ende ausgestreckt hatte. Ich fragte mich, ob sie mich vielleicht trösten würde. Sie war nur einmal, in einem anderen traurigen Moment, nett zu mir gewesen, deshalb hatte ich vielleicht eine Chance. Ich streckte die Hand nach ihr aus und erntete nicht nur das übliche Knurren, sondern auch noch ein Fauchen.
Sie war eindeutig auf Garricks Seite.
Ich dachte tausendmal darüber nach, zu ihm zu gehen, vielleicht sogar tausendundeinmal. Aber ich musste den Tatsachen ins Auge sehen – ich hatte von Anfang an nicht in seiner Liga gespielt. Irgendwann wäre ich ihm sowieso langweilig geworden, wenn der Reiz des Verbotenen erst mal nachgelassen hätte. Und ich wollte mir erst gar nicht vorstellen, was hätte passieren können, wenn wir erwischt worden wären. Allein der Gedanke daran, ließ mir das Adrenalin durch den Körper schießen, wie in dem Augenblick, als er mich im Labor geküsst hatte, wo jeder es hätte sehen können. Vielleicht tat ich mir damit einen Gefallen, wenn ich jetzt die Bande zerschnitt. Ich meine, es war absolut ätzend und zum Kotzen, aber später wäre es noch schmerzhafter.
In meiner dämmrigen, stillen Wohnung, in meinem Eiscreme-Rausch, konnte ich mir eingestehen, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Unsere ach so kurze Beziehung war, als hätte ich einen Sonnentag erlebt, nachdem ich mein ganzes
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