Alles nur aus Liebe
energisch zu Wort. Er erinnerte ihn daran, daß er Gefahr lief, sich wieder in einem gefährlichen Netz zu verfangen, das er selbst knüpfte. Dem mußte er auf der Stelle ein Ende setzen. Zu viel stand auf dem Spiel.
“Tut mir leid.” Er ließ die Arme sinken und trat einen Schritt zurück. Ein kurzer Blick zeigte ihm zu seiner großen Erleichterung, daß die beiden Jungen viel zu sehr mit ihren Hängebauchschweinchen beschäftigt waren, um etwas mitbekommen zu haben. “Das wollte ich nicht.”
“Nein?” Ihre Stimme klang rauh.
“Nein. Ich muß für einen Moment nicht ganz bei Verstand gewesen sein”, erwiderte Mike wahrheitsgemäß. “Es war ein Fehler, okay?” Als ihr Gesicht verriet, wie verletzt sie war, empfand er einen Anflug von schlechtem Gewissen.
Aber er durfte sich auf gar keinen Fall von ihren verwunderten Augen und den bebenden Lippen erweichen lassen. Nicht schon wieder. Anstatt sie zu küssen, hätte er lieber davonlaufen sollen, als ginge es um sein Leben.
“Ich war wohl auch nicht ganz klar im Kopf”, antwortete Annie schließlich. Sie konnte ihn nur anstarren. Für einen Mann, der nicht vorgehabt hatte, sie zu küssen, war er erstaunlich gefühlvoll gewesen!
“Vielleicht ist es ansteckend”, brummte er.
Falls das ein Versuch sein sollte, die Situation zu entspannen, funktionierte es nicht.
Annie hatte nicht damit gerechnet, daß ein solcher Mann auf ihre Söhne achtgab. Und ganz gewiß hatte sie in ihm nicht einen Mann vermutet, der ihre Sinne derart anregte.
Nach all dem, was Clara über ihn gesagt hatte, hatte sie einen kalten, leidenschaftslosen Menschen erwartet, der absolut kein Interesse an Frauen hatte.
Doch er hatte eine so heiße Reaktion in ihr ausgelöst, wie es nicht einmal ihr Exmann geschafft hatte.
Nachdem damals die erste romantische Phase abgeklungen war, hatte Robert mit ihr geschlafen, als wäre sie ein amüsantes Spielzeug, mit dem er sich ab und an beschäftigte, wenn ihm gerade danach zumute war. Sein Liebesspiel, wenn man es überhaupt so nennen konnte, war zur Routine erstarrt, und er war offensichtlich mit seinen Gedanken meist woanders. Bis er zu dem Entschluß gekommen war, daß sie mit ihrer spontanen, freiheitsliebenden Art nicht zu dem Bild paßte, das er von einer Politikergattin hatte. Sie hatte einer einvernehmlichen Scheidung zugestimmt und ihre Entscheidung niemals bereut. Aber sie war ihm dankbar für die Kinder.
Was sich eben zwischen Mike und ihr abgespielt hatte, war eindeutig sexuelle Anziehung gewesen. Leider wußte sie nicht, wie sie damit umgehen sollte.
Zu ihrem zunehmenden Mißvergnügen war von Anfang an alles anders gelaufen, als sie es sich vorgestellt hatte. Und ihre neue Aufmachung war auch ein Fehlschlag, sonst würde Mike sie jetzt nicht auf Schritt und Tritt verfolgen. Es sah definitiv so aus, als hätte sie nichts Dümmeres tun können, als Claras Rat zu befolgen.
Annie war der Ausdruck in seinen Augen heute morgen aufgefallen, als sie mit dem geänderten Kleid und dem bunten Band im Haar in die Küche gekommen war. Als sich dann ihre Blicke trafen, war ihr seltsam warm geworden, und ihr Herzschlag hatte sich entschieden beschleunigt.
“Ist alles in Ordnung?” fragte Mike und unterbrach sie damit in ihren Gedanken. Sie konnte sehen, daß er ebenso verunsichert war wie sie.
“Ja”, bestätigte sie ihm, hatte aber das bedrückende Gefühl, daß gar nichts in Ordnung war. Vielleicht würde alles nur noch viel schlimmer werden. Sie ärgerte sich nicht darüber, daß er sie geküßt hatte. Sie ärgerte sich darüber, daß er gewisse Gefühle in ihr weckte.
Egal, was Clara gesagt hatte, Mike Cassidy war zur Leidenschaft fähig. Einer Leidenschaft, die er vor anderen verbergen wollte.
Paßt ja wunderbar, dachte sie mit Galgenhumor. Er ist ein Mann, der sein wahres Wesen verbirgt, und bin eine Frau, die sich eine falsche Identität zugelegt hat.
“Tut mir leid, Mike. Ich habe beim Verkehrsamt nachforschen lassen. In Virginia wurde nie ein Führerschein auf den Namen Annie Kramer ausgestellt.”
“Und was ist mit den Sozialversicherungsunterlagen?” “Dort konnte ich ebenfalls nichts finden”, erklärte die Stimme am Telefon. “Bist du sicher, daß es auch der richtige Name ist?” “Es ist jedenfalls der, den sie mir genannt hat, auch wenn ich das Gefühl habe, daß er nicht stimmt.”
“Sie steht auch nicht im Strafregister. Was sagtest du noch, hätte sie getan?”
“Noch nichts.” Mike überlegte. Das
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