Alles nur aus Liebe
Bobbys gutes Benehmen. “Ich freue mich auch, euch beide kennenzulernen. Aber ihr könnt ruhig Du und Miss Annie zu mir sagen”, erwiderte sie und schüttelte ihm die Hand. Sie hungerte nach mehr, aber Mike beobachtete sie.
“Wirklich?”
“Wirklich. Es sei denn, du möchtest es nicht.”
“O doch! Das ist echt cool!” versicherte ihr Bobby atemlos.
“Darf ich es auch?”
“Natürlich,” Annie streckte auch Joey die Hand hin. Sie hielt sie so lange, fest, wie es nur möglich war. Wie sehr sehnte sie sich in diesem Augenblick danach, die beiden in die Arme zu ziehen und an sich zu drücken. Niemals wieder loszulassen.
Aber das würde erst später kommen, wenn sie allein waren.
Jetzt mußte sie sich darauf beschränken, lächelnd in zwei blaue Augenpaare zu schauen … die ihrer Söhne.
2. KAPITEL
Mike Cassidy konnte es nicht abstreiten.
Innerhalb weniger Minuten hatte Annie Kramer es geschafft, das Haus zu betreten und alle darin in ihren Bann zu ziehen. Sie hatte es sogar verstanden, ein echtes Lächeln auf die Gesichter der Jungen zu zaubern - das erste seit Tagen.
Seltsam, wie zutraulich die beiden auf sie reagiert haben, fuhr es ihm durch den Kopf. Ziemlich ungewöhnlich eigentlich, wenn man bedenkt, daß sie sie zum erstenmal sahen.
Seiner eingeschränkten Erfahrung nach wurden Kinder doch immer dazu angehalten, Fremden gegenüber zurückhaltend zu sein. Annie Kramer benahm sich aber nicht wie eine Fremde. Und die Jungen verhielten sich absolut nicht so, als wäre sie eine Fremde für sie.
Ihn irritierte nicht nur Annie Kramers spontaner guter Draht zu den Jungen. Es gab noch etwas an ihr, das ihn viel mehr beunruhigte.
Vielleicht war es ja ihr Äußeres. Obwohl ganz bestimmt keine Amerikanerin unter fünfundsiebzig in so einem Outfit herumlaufen würde! Nein, das würde nicht einmal seine eigene geliebte und von ihm hochgeachtete Großmutter tun, die ihn großgezogen hatte.
Aber in seinen Augen konnte das unvorteilhafte weite Kleid nicht einmal ansatzweise Annies lange, schlanke Beine verbergen, die schmale Taille und die wohlgeformten Schultern. Er verstand einfach nicht, warum sie versuchte, ihre weibliche Figur zu verstecken.
Trotz der Art, wie sie sich kleidete, war Annie Kramer attraktiv, das konnte er nicht leugnen. Besonders mit diesen mandelförmig geschnittenen Augen und den langen Wimpern. Ihre braunen Augen waren ungemein sinnlich, i Selbst der züchtig hochgeschlossene Spitzenkragen ihres Kleids nahm dem schmalen Hals nichts von seiner Anmut, und auch unter den unscheinbaren Knöpfen wirkten ihre Kurven verlockend.
Ihr heller, pfirsichfarbener Teint aber schien irgendwie nicht ganz zu dem braunen Haar, den dunklen Augen, Wimpern und Brauen zu passen. Oder etwa doch? Vielleicht ja, vielleicht auch nicht. Das Problem war folgendes: Wenn man darüber nachdachte, wie eine Frau angezogen war, war es sehr verführerisch, sie sich auch ausgezogen vorzustellen …
Er schaute zu, wie sie sich zu Bobby und seinem kleinen Bruder beugte und ihnen die Hand schüttelte. Die Frau war als Kindermädchen hier, mehr nicht. Das wollte und sollte er im Kopf behalten.
Er nahm sich zusammen und versuchte, sich nicht mehr vorzustellen, wie er die Knöpfe an ihrem Kragen öffnete. Wie kommst du überhaupt auf solche Gedanken? fragte er sich irritiert. Annie Kramer hatte durch nichts erkennen lassen, daß sie zu mehr fähig war als zu einem freundlichen, aufregenden Lächeln.
Nun mach aber mal halblang, Mike, ehe du dir wieder Probleme aufhalst, meldete sich da eine leise Stimme in seinem Kopf. In seiner Ausbildung war ihm immer wieder eingeschärft worden, persönliche Beziehungen weder zu seinen Schützlingen noch zu sonst jemandem in ihrer Nähe zu entwickeln. Nur wenn man die Dinge objektiv sah, war es möglich, Gefahrsignale zu erkennen und rechtzeitig zu handeln, ehe es Ärger gab. , Er zwang sich dazu, wieder sachlich über das Problem Annie Kramer nachzudenken. Wieso hatte sie sich einen Job über eine Agentur gesucht, wenn sie wirklich so gut war, wie die Referenzen behaupteten? Normalerweise hätte sie ohne jede Schwierigkeit über Mundpropaganda eine neue Stelle gefunden.
Dann war da noch die Sache mit ihrem Mann in Übersee. Sie trug keinen Ehering. Ihre sonnengebräunte Hand zeigte auch nicht den hellen Streifen, der ihm verraten hätte, daß sie den Ring manchmal trug.
Wie er es auch drehte und wendete, sein sechster Sinn sagte ihm, daß mit Annie Kramer etwas nicht stimmte. Und
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