Alles nur aus Liebe
da er sicher war, daß sein Instinkt ihn nicht trog, war er entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Schließlich gehörte das auch zu seinem Job.
“Sind Sie bereit zu einer kleinen Rundtour durchs Haus, bevor Sie morgen wiederkommen?” wollte er wissen. Er warf einen Blick auf Joey, der Annies Hand hielt, als wolle er sie nie wieder loslassen. “Vorausgesetzt natürlich, daß Joey das gestattet.”
Joey ließ Annies Hand los, als hätte er sich verbrannt. “Ich rühre jetzt den Teig zu Ende, damit die Kekse fertig werden”, meinte er.
“Gute Idee, aber laß ein paar für mich übrig”, bat ihn Mike. “Und du solltest vielleicht auch noch einige für Miss Annie aufheben.” Er blickte Annie an.
“Fertig?”
Annie nickte. Sie hatte es gar nicht eilig, wieder die warme, gemütliche Küche zu verlassen … oder ihre Söhne. Besonders, wo es schon zwei lange und einsame Wochen her war, daß sie sie zuletzt in den Armen gehalten hatte. Aber wenn sie ablehnte, würde dieser argwöhnische Bodyguard sich darüber wundern. Daß sie ihren neuen Namen nicht einmal ohne Stocken herausgebracht hatte, war bereits ein Schnitzer zuviel gewesen.
“Ja, danke”, antwortete sie, die Augen auf Joey und Bobby geheftet.
Mike ging voran, und Annie folgte ihm gehorsam. Er führte sie durch das sonnige Frühstückszimmer, ein elegantes Eßzimmer und schließlich in das große Wohnzimmer mit Fernseher, Stereoanlage und Videogerät. An der anderen Seite des L-förmigen Hauses lagen die Räume der Hausangestellten. Aber das wußte sie natürlich längst. Auf dem Weg durchs Haus wies Mike Cassidy sie nachdrücklich darauf hin, daß die Türen nach außen ständig verschlossen gehalten werden mußten.
Im Obergeschoß befand sich die Master-Suite: ein Wohnraum, ein überdimensioniertes Bad und ein großes Schlafzimmer. Zimmer, die sie selbst vor mehr als drei Jahren in Laura-Ashley-Grün und -Rosa dekoriert hatte und die seitdem unverändert geblieben waren, wie es schien.
Edythe Matthews war wirklich keine Frau, die viel fürs Häusliche übrighatte.
Er führte sie den Flur entlang, vorbei an vier weiteren Schlafzimmern mit ihren Bädern, und zu einer Treppe, die in die Küche und den Frühstücksbereich hinunterführte.
“Hier sind die Zimmer der Jungen”, sagte er schließlich, als er die Tür zu einer sonnigen Suite mit zwei Zimmern öffnete, jedes mit einem großen Doppelbett ausgestattet. Baseballschläger, Inline-Skater und ihr Lieblingsspiel Scrabble lagen in einem großen Weidenkorb. Nichts hier überraschte sie, es beruhigte sie aber zu sehen, daß die Jungen immer noch inmitten ihrer Lieblingsspielzeuge und Sachen lebten. Da fiel ihr Blick auf den Nachttisch.
Entsetzen überkam sie, als sie den Schnappschuß dort sah. Es war ein Schnappschuß von ihr selbst und den beiden Jungen, aufgenommen bei einem Familienpicknick. Sie hatte ihnen das Foto gegeben, als sie abreisten, um den Sommer mit ihrem Vater zu verbringen. Niemals hatte sie daran gedacht, daß sie irgendwann herkommen würde, um sich um die beiden Jungen zu kümmern. Das Bild mußte unbedingt verschwinden! Während sie Interesse an dem vorheuchelte, was Mike ihr erklärte, wartete sie die ganze Zeit über auf eine Gelegenheit, das Foto unauffällig unter ein Kissen zu schieben.
“Die beiden Jungen haben jeder ein eigenes Zimmer, dazwischen liegt ein Badezimmer”, fuhr Mike fort. “Aber um die Wahrheit zu sagen, seit ich vor einer Woche angefangen habe, hocken die beiden hier ständig zusammen. Entweder haben sie sich noch nicht eingelebt, oder aber sie haben Heimweh.”
“Würde es Ihnen nicht auch so gehen?” fragte Annie ruhig. “Schließlich ist es das erste Mal, daß sie von ihrer Mutter fort sind.”
Mike zuckte mit den Schultern. “Da kann ich nicht mitreden.”
“Nein?” Die Frage war heraus, noch ehe sie sie zurückhalten konnte. Anstatt ihn in ein Gespräch zu verstricken, sollte sie eigentlich versuchen, ihn so rasch wie möglich aus den Zimmern der Jungen zu bekommen. Aber gegen ihren Willen interessierte sie dieser Mann.
Mike zuckte leicht mit den Schultern. “Die übliche Geschichte. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich zehn Jahre alt war. Meine Großmutter zog mich auf, machte mir klar, daß ich etwas leisten müsse, um es zu etwas zu bringen. Viel Zeit zum Spielen oder zur Trauer um meine Eltern blieb da nicht.” Er sah sie kurz an, dann schaute er auf den Korb mit den Spielzeugen. “Aber Sie könnten recht
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