Alles paletti
zwischen Tag und Nacht abgestuften Geschwindigkeitsbegrenzungen. So etwas gibt es nirgendwo sonst in Amerika.
Jonsy sagt: »In Texas scheren sich alle einen feuchten Dreck drum und fahren wie die Irren. Hier gibt’s keine ernsthafte Verkehrspolizei.«
Und dann die toten Gürteltiere an den Straßenrändern. Mit ihrem Panzer. Und die überfahrenen Stinktiere. Aber keine Hunde und Katzen, im Gegensatz zur richtigen Welt.
Eine gelbe Piper fliegt über der Straße. Ein großer Storchenschwarm arrangiert sich zu einer Pfeilspitze.
Die populärste Restaurantkette in Texas ist Steaky’s. Fast an jeder Ausfahrt gibt es so ein Lokal. McDonald’s und Burger King erscheinen von hier aus wie ein ferner nördlicher Traum.
»Wie ist Steaky’s?«, erkundigt sich Izzi bei Jonsy.
»Nicht besonders. Erinnert an die Hamburger von den Wanderkiosken bei uns daheim. Und keine guten Pommes.«
»Hör mal«, sagt Izzi plötzlich, »ich hab was Komisches geträumt in der Nacht. Itzik Zohar, weißt du, wer das ist?«
»Der Fußballspieler, klar«, antwortet Jonsy.
»Ja. Ich erinnere mich nicht genau, aber Itzik Zohar war da, und er hatte durchsichtige Hosen und ein durchsichtiges Hemd an, und man hat alles gesehen. Ein merkwürdiger Traum.«
Ein großer Lastwagen kommt ihnen entgegen, mit einem großen Lichterkreuz auf der Motorhaube. Hinten steht: Judgement after Death.
Jonsy erzählt, dass es irgendwo in Texas ein riesiges Kreuz auf einem Berg gibt. »Der Ku-Klux-Klan ist wahnsinnig stark hier. Wenn du den 10er Highway von Louisiana reinfährst, das ist sein Herrschaftsgebiet. Louisiana selber besteht eigentlich aus Dutzenden Kilometern von Sümpfen, über die der 10er im Prinzip als Brücke führt, und an allen möglichen Stellen unter der Straße leben die furchterregendsten Obdachlosen von ganz Amerika. Ich hatte mal einen Pick-up für einen Inder in der Gegend zu machen. Er hat mich gewarnt. Er hat gesagt, dass das Gebiet vor Ku-Klux-Klan nur so wimmelt, dass ihr Zentrum ein Ort namens Vidor ist. Er hat’s mir auf der Karte gezeigt. Er hat mich davor gewarnt, unterwegs anzuhalten,
nicht mal zum Tanken oder Essen, denn sie beherrschen die ganzen Raststationen. Und ich solle mich ja nicht zu Spielchen beim Fahren verleiten lassen und das Tempolimit keinesfalls überschreiten, denn die Polizisten stecken mit ihnen unter einer Decke und sind Drecksäcke.«
»Warum hat dann der Inder da gewohnt?«, fragt Izzi verständnislos.
»Das wollte ich ihn echt auch fragen. Er hieß Mussa.«
Der Highway Nr. 30 führt über Dallas. Izzi findet einen normalen Radiosender. Sie hören No Dignity, wippen im Takt dazu. Als sie in die Stadt hineinfahren, taucht am Himmel ein niedrig fliegender Hubschrauber auf, und Dutzende Streifenwagen mit Blaulichtern umzingeln irgendeinen Diner.
Izzi sagt: »Was ist das? Drehen die einen Film?«
Jonsy zuckt die Achseln. »Eher ein Raubüberfall.«
Chaim kehrte unter die Decken in Ariks Wohnzimmer zurück und blieb dort bis zum Mittag. Schlomi ging in die Synagoge, sagte, er würde nachher ein bisschen im Schnee spazieren gehen und in zwei bis drei Stunden zurück sein.
Den ganzen Vormittag versuchte Chaim, die Abhöranlage für sein Büro zu organisieren. Er telefonierte mit Freunden, die andere Freunde kannten, die Bekannte mit solchen Ausrüstungen hatten oder Privatdetekteien kannten. Und anschließend musste er jemanden finden, der jetzt sofort Zeit hatte, um in die 39. Straße zu gehen und das Ganze zu installieren. Und dann noch jemanden, der Hebräisch konnte, damit er die belauschten Gespräche auch verstand. Mindestens zwei Stunden lang führte er Dauertelefonate nach New York, auf Ariks Rechnung natürlich.
Zadok, der Mann, den er zu guter Letzt auftrieb, rief ihn
nach ein paar Stunden zurück und meldete: »Chaim, es gibt schon eine Abhöranlage in dieser Leitung.«
»Wie bitte?«
»Du hast richtig gehört. Die Leitung ist schon angezapft.«
»Von wem?«, fragte Chaim verblüfft.
»Das kann ich nicht riechen. Ich höre nur das Klicken. Ich kann nur sagen, es sind Profis.«
Chaim kratzte sich verdutzt am Kopf. »Wie lang ist das schon dort?«
»Das kann ich auch nicht sagen. Alles, was ich weiß, ist, dass die Leitung angezapft worden ist. Und zwar superprofessionell. Was ich vermute? Nur Organisationen - sagen wir mal offizielle, ja? - können eine solche Abhöranlage installieren. Das ist nicht die Arbeit von irgendeinem Privatmann. Das ist keine Schwarzarbeit, kein Pfusch.
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